Digital Detox statt ungebremster Handysucht

Kennen Sie Ihre Bildschirmzeit? Das sind jene Minuten und Stunden, die wir alle täglich damit verbringen, Apps zu nutzen, Nachrichten zu lesen oder durch Social Media-Feeds zu scrollen – plus jene Zeit, in der wir Geräte wie Laptop oder Smartphone aus beruflichen Gründen in der Hand haben. Und diese Bildschirmzeit, die läppert sich. Durchschnittlich mehr als 10 Stunden pro Tag sitzt der oder die Deutsche vor dem Bildschirm. So zumindest das Ergebnis einer im Januar 2021 vom Branchenverband Bitkom durchgeführten Befragung.

Wenn Sie noch an Ihren Neujahrsvorsätzen festhalten, ist angesichts eines derartigen Zeitfressers auch klar: Daran muss sich etwas ändern. Denn die am Display „verbummelte“ Zeit fehlt meist an anderen Stellen. Für Sport zum Beispiel, Treffen mit Freunden und echte Entspannung. Und so ist es kein Wunder, dass rund 30 Prozent der Menschen, die in einer Forsa-Umfrage zu ihren Plänen fürs Jahr 2022 befragt wurden, angaben, öfter mal offline sein zu wollen.

Was wohl aus diesen Vorsätzen bis jetzt geworden sein mag...?

Warum es so schwierig ist, die Bildschirmzeit zu reduzieren

Das Handy wegzulegen statt ständig in der Hand zu haben, das ist leider viel leichter gedacht als getan. Eben gerade weil die Zeit, die wir vorm Bildschirm hängen, selten das Ergebnis einer bewussten Entscheidung ist. Wie ferngesteuert klicken wir uns von App zu App, von Nachricht zu Nachricht oder durchs Handyspiel. Und genau darauf sind die meisten Apps und Webseiten auch ausgelegt: Sie buhlen nicht nur um unsere Aufmerksamkeit, indem sie uns zum Beispiel regelmäßig Mitteilungen schicken und uns zum Handy greifen lassen. Sie wollen uns, wenn sie uns dann soweit haben, am liebsten gar nicht mehr gehen lassen. Schon ploppt das nächste spannende Video auf, das nächste Level, die nächste “letzte Chance”.

Doch warum ist das eigentlich so? Nun, jeder aktive Spieler oder jede aktive Nutzerin ist ein möglicher Kunde und eine mögliche Kundin für die jeweiligen Anbieter. Und die möchte man natürlich nicht verlieren. Stattdessen werden jede Menge Tricks angewendet, damit wir in “Fomo” verfallen, der “Fear of missing out“! Oder auf Deutsch: Die Angst, etwas zu verpassen, sobald wir die Geräte ausschalten.

Und der Plan geht auf. Denn wir Nutzerinnen und Nutzer fallen gerne auf das Spiel herein. Immer wieder beweisen Studien, dass wir kaum anders können als uns von den Endgeräten eine positive soziale Interaktion zu erhoffen. Die Geräte schenken uns Lob und Anerkennung. Ähnlich, wie wir sie von Freunden und Familie bekommen könnten. Jedes Like, jedes neue, lustige Video aktiviert das Belohnungssystem in unseren Köpfen. Noch bevor wir also groß zum Nachdenken gekommen sind, haben wir über den Tag fast neunzig (!) Mal auf unser Handy geschaut. Zumindest nach einer Statistik der Universität Bonn.

Sie sehen: Es braucht also etwas mehr als gute Vorsätze, um die Bildschirmzeit zu reduzieren. Versprochen – die kommenden Tipps werden Ihnen wirklich helfen!

5 Tipps, die nicht nur "Handysüchtigen" helfen

Das Wichtigste zuerst: Wenn Sie Ihre Bildschirmzeit kennen und Sie unglücklich über die verlorene Zeit in Ihrem Leben sind, haben Sie schon einen großen Schritt getan. Denn dann haben Sie begriffen, dass bis jetzt nicht Sie Ihr Endgerät im Griff hatten, sondern dass sich die Machtverhältnisse unbemerkt gedreht haben: Ihr Handy oder Laptop (und damit die Konzerne, die dahinterstehen) haben Sie gelenkt wie eine Marionette. Und Ihnen damit vielleicht nicht nur Lebenszeit, sondern auch Lebensqualität geraubt. Nur wer bereit ist, das ehrlich zuzugeben und vielleicht auch etwas trotzig ob dieser Erkenntnis wird, kann die Tricks, die einen ans Endgerät fesseln, als solche entlarven. Es ist Ihre Zeit – beginnen Sie darüber zu entscheiden!

1. Digitale Auszeiten nehmen: Jomo statt Fomo!

Belohnungen, Push-Nachrichten, alarmierende Farben, Mitgliedschaften, Follower, Likes: Die Konzerne geben alles, damit Sie möglichst lange und intensiv vorm Bildschirm sitzen - und das möglcisht ohne Einschränkung. Aber was haben Sie eigentlich davon? Statt sich Fomo einreden zu lassen, die Sie ja doch nur zum blinden Konsumenten macht, könnten Sie beginnen, ab jetzt Jomo zu genießen: „Joy Of Missing Out“ – also die Freude daran, selber darüber zu entscheiden, was Ihnen wichtig ist!

Schreiben Sie sich auf, wofür Sie gerne mehr Zeit hätten, wenn Sie die Beschränkungen der Handynutzung einfach hinter sich ließen. Sei es das Fitnessstudio, ein gutes Buch oder fürs Spielen mit Ihren Kindern. Denn die Rechnung ist eigentlich ganz einfach: Wenn Ihr Handy aktuell täglich rund zwei Stunden Bildschirmzeit vermeldet, von der Sie ehrlicherweise keinen finanziellen, beruflichen oder persönlichen Nutzen hatten, ist doch eine Stunde für Ihr neues Lieblingshobby locker drin. Vorausgesetzt natürlich, Sie lassen das Handy in dieser Zeit völlig außer Acht. Keine Sorge: Die wirklich wichtigen Nachrichten dieser Welt werden Sie schon nicht verpassen!

2. Augen weg vom Bildschirm: Handys in die Schublade!

Ein Blick auf die eigene Bildschirmzeit kann für viele Anwender schon erschreckend sein – noch unangenehmer wird es, wenn Sie sich bewusst machen, dass jeder kurze Blick aufs Handy sie aus dem Fokus reißt, den sie gerade eigentlich auf andere Dinge richten wollten. Nur eine Unterbrechung von 2,8 Sekunden reicht, so sagen es Forscher, dass wir erst mal wieder einen längeren Anlauf brauchen, um in unsere bisherige Tätigkeit zurückzufinden. Ein um Aufmerksamkeit blinkendes, vibrierendes oder gar bimmelndes Handy ist also äußerst kontraproduktiv, wenn es um eine Reduzierung der Bildschirmzeit oder einen bewussteren Umgang mit der eigenen Lebenszeit gehen soll.

Abgesehen davon, wir erinnern uns: Von der Mitteilung auf dem Sperrbildschirm bis zum Klick in die App ist es dank unseres nach Belohnung gierenden Gehirns meist nicht weit. Das Handy gehört also am besten immer still und leise in einen Nebenraum, wenn es nicht zwingend gebraucht wird.

3. Einstellungen für Benachrichtigungen: Kontrollieren, wie oft sich das Gerät meldet

Mitteilungen über ihren Spielstand auf Candy Crush, die Schwangerschaft einer royalen Tochter oder ein Like, das Sie auf Instagram abstauben konnten, haben, mit Verlaub, keine Dringlichkeit. Solche Push-Nachrichten sollten Sie beim Download neuer Apps keinesfalls zulassen oder nachträglich in den Einstellungen sperren. Sie kennen jetzt Ihren Feind und werden sich nicht mehr so leicht zum Spielball machen lassen!

Und das schon gar nicht von Anbietern, deren Angebot Sie zwar regelmäßig ablenkt, aber das Sie gar nicht nutzen. Räumen Sie also auch ordentlich auf und löschen Sie alle Apps, die Sie zwar aus Langeweile nutzen, die Sie aber in erster Linie nur Zeit und Nerven kosten. Wahrscheinlich werden Sie sie keine Minute vermissen.

4. Selbstkontrolle hilft: Bildschirmzeit und Nutzungsdauer festlegen

Jene Funktion, die uns vor Augen führt, wie viel Zeit wir täglich oder wöchentlich mit unseren Geräten verbringen, ist meist mit der verknüpft, die einen Riegel vorschieben kann. Um die Nutzungszeit am Smartphone oder auch am Laptop besser kontrollieren zu können, legen Sie also ruhig in den Einstellungen konkrete Bildschirmzeiten oder Nutzungszeiten für die jeweiligen Apps fest. Je nach Hersteller des Smartphones variiert der Name dieser Funktion. Bei Google heißt sie "Digital Wellbeing",  Samsung führt sie unter dem Menüpunkt "Digitales Wohlbefinden" und bei Huawei-Geräte kann man seine "Digital Balance" in den Einstellungen verwalten. Bei Apple heißt die Funktion schlicht “Bildschirmzeit”.

Glauben Sie uns: Wenn Sie von Ihrem Handy dank Nutzungslimit mehrfach daran erinnert werden, dass Sie gerade versuchen, Ihre Lebenszeit gegen Ihren eigenen Willen zu verplempern, kann das wahre Wunder wirken.

5. Alternativen für Handysüchtige: Es gibt ein Leben neben der Handynutzung

Wie Sie erfahren haben, nutzen Endgeräte wie unser Smartphone grundmenschliche “Schwächen” wie unser Bedürfnis nach Anerkennung und Teilhabe, damit wir kaum noch von ihnen loskommen. Zeit mit Freunden im echten Leben ist jedoch immer wertvoller als jeder noch so freundliche Facebook-Kommentar. Prüfen Sie also ruhig mal, ob Ihre psychisch-sozialen Bedürfnisse im Alltag genug gestillt sind und ob Sie etwas nachbessern können, damit Sie vom digitalen Gegenangebot weniger leicht zu manipulieren sind.

Wie bei allen Suchterkrankungen ist Langweile gefährlich. Also decken Sie sich mit guten Büchern ein, rollen Sie die Yogamatte aus oder gehen Sie lieber eine Runde spazieren als wieder durch Instagram zu scrollen. Wer wissen will, was in der Welt los ist, macht sich auf zum Kiosk und holt sich eine Zeitung. Wer wissen will, wie spät es ist, schaut lieber auf die Armbanduhr, als die Frage nach der Uhrzeit zum Anlass zu nehmen, wieder einen Blick aufs Handy werfen zu können.
Denn das Einzige, was dort folgt: Wieder ein paar (sinnlose) Minute mehr auf Ihrem Bildschirmzeit-Konto. Das aber wird, wenn Sie sich an unsere Tipps, 2024 endlich schrumpfen.