Tierwohlsiegel: Wirklich artgerecht oder nur ein Vorwand?

Ob es ein Wiener Schnitzel oder der Gänsebraten zu Weihnachten ist – für die meisten gehört Fleisch zur täglichen Ernährung einfach dazu. Nahezu die Hälfte aller Deutschen geben an, an mehreren Tagen der Woche Fleisch zu essen. Gleichzeitig ist ihnen die Haltung der Nutztiere immer wichtiger. Die Vorstellung, dass Huhn, Schwein & Co. auf engstem Raum unter schlimmsten Bedingungen leben, ist den meisten wohl zuwider. 

Dennoch ist es beim Fleischkauf noch immer schwierig zu erkennen, ob Tiere unnötig leiden mussten oder nicht. Schließlich ist das Angebot in Supermärkten riesig und die Preise oft verlockend gering. Zudem tauchen auf den Verpackungen ständig mehr und neue Tierwohlsiegel auf, die dem Verbraucher Informationen über die Haltungsbedingen geben sollen. Doch durch ihre Vielfalt sorgen sie inzwischen wohl eher für Verwirrung bei den Verbrauchern – anstatt für die gewünschte Klarheit. Dennoch muss Ihre letzte Alternative nicht unbedingt der Kauf direkt beim Landwirt sein. Denn wir zeigen Ihnen, wie Sie auch im Supermarkt-Dschungel faires Fleisch finden!

Gut zu wissen:

Kurzer Tipp für Verbraucher, die viel Wert auf nachhaltige Herstellung an sich legen: Bio-Siegel gibt es nicht nur für Fleisch oder Milchprodukte, sondern mittlerweile auch für Wein und Co. Sie wollen mehr wissen? Eine Übersicht zu allen Bio-Siegeln bieten verschiedene Verbraucherschutzseiten.

Wann ist die Haltung der Tiere überhaupt "artgerecht"?

Wenn es um den Umgang mit Tieren in der Lebensmittelindustrie geht, ist oft von artgerechter Haltung die Rede. Was das jedoch für die Lebensbedingungen der Tiere bedeutet, ist vielen Verbrauchern nicht klar. Leben Schwein, Kuh und Huhn damit wirklich in besserer Haltung oder ist der Begriff lediglich ein Vorwand, um Kunden anzulocken?

Tatsächlich müssen einige Richtlinien eingehalten werden, damit die Haltung eines Tieres als artgerecht gilt. Laut dem Tierschutzgesetz sollen sich diese an den natürlichen Lebensbedingungen der Tiere orientieren. Das bedeutet, dass die Pflege, Ernährung und Unterbringung den in der Freiheit gegebenen Bedingungen ähneln sollte.

Sie fragen sich, warum ein Großteil der Nutztiere dennoch unter schlechten Lebensbedingungen gehalten wird? Das resultiert aus der geringen Wirtschaftlichkeit einer wirklich gerechten Haltung! Schließlich können in beengten Ställen mehr Nutztiere gehalten werden, als es unter artgerechten Bedingungen möglich wäre. Diese Ställe für Massentierhaltung kurbeln auch die Fleischproduktion an und sorgen letztendlich für mehr Gewinn bei günstigeren Preisen für den Endverbraucher. Das ist traurig, aber leider wahr. 

Dennoch stellen einige Betriebe sicher, dass das Wohl der Tiere an erster Stelle steht. Dieses Fleisch aus artgerechter Haltung erkennen Sie an Siegeln verschiedener Organisationen, welche die Richtlinien über Unterbringung, Futter & Co. höher bemessen als die konventionelle Landwirtschaft. So können Nutztiere unter freiheitsähnlicheren Bedingungen besser leben.

Lassen Sie sich aber nicht in die Irre führen. Denn einige Hersteller schreiben sich das Tierwohl auf die Fahnen, ohne tatsächlich dafür zu sorgen. Welchen Siegeln Sie Vertrauen schenken können, zeigen wir Ihnen jetzt.

Welche Siegel stehen für eine artgerechte Tierhaltung?

Für Tierwohl und eine artgerechte Haltung sorgen Faktoren wie ausreichender Platz und gutes Futter. Dementsprechend kann man auch Organisationen und ihre Siegel an diesen Faktoren messen. Wie verschiedene Tierwohlsiegel im Vergleich abschneiden, zeigt unsere Checkliste:

  • Initiative Tierwohl: Die Initiative Tierwohl wurde gemeinsam von Handel, Land- und Fleischwirtschaft ins Leben gerufen. Das Prinzip: Tierhalter, die an dem Programm teilnehmen, müssen bestimmte Kriterien, die über den gesetzlichen Standard hinausgehen, erfüllen. Zweimal jährlich überprüfen unabhängige Auditoren die Umsetzung der Vorgaben. Bei Bestehen erhalten sie von der Initiative Tierwohl ein Entgelt, das ihren Mehraufwand für die Umsetzung der Maßnahmen kompensiert. Das bewegt zwar einige Betriebe zu einer Besserung der Lebensbedingungen, dennoch sind die Mindestanforderungen noch niedrig. Ein Mindestmaß an Tageslicht und mindestens zehn Prozent mehr Platz in Ställen sind aber der erste Schritt auf dem Weg zur tiergerechten Haltung.
Initiative Tierwohl
  • Tierschutz kontrolliert: Das Siegel der globalen Tierschutzorganisation VIER PFOTEN findet man bislang (leider) vergleichsweise selten in Supermärkten. In Deutschland sind „Tierschutz-kontrolliert“-Produkte im Süden erhältlich und in Österreich flächendeckend. Die Anforderungen an die Tierhaltung sind hierbei besonders bei dem Platz, welcher dem einzelnen Tier geboten wird, vergleichsweise hoch. Mastschweine erhalten bei Betrieben des "Tierschutz kontrolliert"-Siegels sogar den meisten Platz unter allen Tierwohlsiegeln. Dennoch ist bei den Anforderungen von VIER PFOTEN noch Luft nach oben. So können Landwirte Masthühner und -schweine hierbei ausschließlich in Stallhaltung halten. In der „Silber“-Stufe ist für Masthühner und -schweine ein Außenklimabereich Pflicht, in der „Gold“-Stufe ist Freilandhaltung verpflichtend. Auch Tierwohl fördernde Maßnahmen wie Einstreu in den Ställen sind für alle Tierarten vorgesehen. Je nach Tierart fordert die „Gold“-Stufe sogar höhere Maßnahmen als alle anderen Siegel, wie z.B. die muttergebundene Kälberaufzucht beim Milchvieh oder die Aufzucht der Bruderhähne von Legehennen.
Vier Pfoten Siegel
  • Für mehr Tierschutz: Das Siegel des deutschen Tierschutzbundes ist mittels Sterne in zwei Stufen aufgeteilt. Ein Stern steht für zwar vorhandene, jedoch geringere Kriterien im Sinne des Tierwohls. So ist hier Auslauf ins Freie für Hühner und Schweine nicht verpflichtend. Auch der Platz für die Tiere ist eher niedrig bemessen und die Tieranzahl in den Ställen vergleichsweise hoch. Einen deutlich sinnvolleren Beitrag zum Tierwohl bietet bei diesem Label dagegen die Stufe mit zwei Sternen. Denn hier ist etwa die ausschließliche Stallhaltung untersagt. Zudem ist die Anzahl der gehaltenen Tiere in den Ställen niedriger. 
  • Demeter, Naturland und Bioland: Ein „richtiges“ Bio-Logo auf Fleischverpackungen steht in der Regel auch für eher hohe Ansprüche in der Tierhaltung. Dabei können Sie besonders bei deutschem Biofleisch mit einer vom Tierwohl geprägten Landwirtschaft rechnen: Auslauf ins Freie, biologisches Futter und vergleichsweise viel Platz sind hier ein absolutes Muss. Auch artgerechte Maßnahmen wie Einstreu in den Ställen und eine besonders lange Mast der Hühner sind für die teilnehmenden Betriebe Pflicht.
demeter Siegel
Bioland Siegel

Gut zu wissen:

Als besonders fördernd sticht übrigens der Bioverband Demeter hervor. Denn hier werden am wenigsten Tiere in Ställen gehalten – wodurch sie am meisten Platz haben. Zudem verbietet ausschließlich Demeter, die Hörner von Milchkühen und Mastrindern zu entfernen.

  • EU-Bio-Siegel: Eine nach biologischen Standards geführte Landwirtschaft bescheinigt auch das EU-Bio-Siegel. Dennoch müssen sich Landwirte hierbei nur an die EU-Richtlinien halten. Und die sind (leider) im Vergleich zu deutschen Bio-Vorgaben eher niedrig. Die Betriebe des EU-Bio-Siegels müssen zum Beispiel nicht ausschließlich Bio-Futter an die Tiere verfüttern. Auch der Weidegang für Rinder ist hier nicht verpflichtend. Das EU-Siegel bietet demnach gute Maßnahmen in Richtung einer artgerechten Haltung, kommt aber nicht an die Siegel der deutschen Bioverbände heran.

Möchten Sie bei Ihrem Einkauf auf das bestmögliche Tierwohl achten, sind Sie wohl bei Demeter-Produkten eindeutig an der besten Adresse. Jedoch können auch andere Bio-Siegel, wie Natur- und Bioland mit zahlreichen artgerechten Maßnahmen überzeugen. 

Möchten Sie auf ein gutes Siegel zurückgreifen, auf das Sie auch abseits von Biomärkten in Ihrem Supermarkt finden, ist das EU-Bio-Siegel eine gute Wahl. 

Trotz Siegel: Weniger ist mehr im Fleischkonsum!

Tierwohlsiegel hin oder her: Fleisch aus artgerechter Haltung ist alles andere als billig. Essen Sie – wie bei uns Deutschen meist üblich – mehrmals in der Woche Fleisch, kann das ganz schön auf den Geldbeutel gehen. kein Wunder also, dass auch Verbraucher mit guten Intentionen manchmal „notgedrungen“ zu günstigem Fleisch greifen. 

Die bessere Alternative: Essen Sie lieber weniger Fleisch, dafür aber von besserer Qualität. Sie werden merken, weniger ist (gerade geschmacklich) wirklich mehr!

Die Bayerische Experten-Tipp

Sie wollen etwas für Ihre Gesundheit tun? Nichts leichter als das: Essen Sie einfach weniger Fleisch! Denn besonders der übermäßige Verzehr von rotem Fleisch kann Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs begünstigen. Halten Sie sich deshalb an die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und nehmen Sie lediglich 300-600 Gramm Fleisch pro Woche zu sich. 

Auch weniger Fleischkonsum als die empfohlene maximale Wochenmenge schadet Ihnen nicht. Denn solange Sie sich ausgewogen und gesund ernähren, kann Ihr Körper die nötigen Nährstoffe auch anderweitig aufnehmen.