Die P2B-Verordnung kommt: Das müssen gewerbliche (Ver-)Käufer und Plattform-Betreiber wissen

Der Verkauf der eigenen Waren, Dienstleistungen und Produkte über digitale Handelsplattformen wie Amazon, eBay oder Etsy gehört für viele Selbständige, Freelancer und Handwerker nicht erst seit der Corona-Krise wie selbstverständlich zum normalen Geschäftsalltag hinzu. Doch nicht wenige von Ihnen haben auch bereits die Erfahrung gemacht, dass man den Plattformriesen in bestimmten Situationen – zumindest gefühlt – völlig ausgeliefert ist. Denn fällt plötzlich ein wichtiges Produkt-Listing extrem ab oder wird gar der eigene Händler-Account gesperrt, ist guter Rat bisher meist teuer – und nicht selten sehr mühsam. 

Manchmal können die Auswirkungen sogar existenzbedrohende Ausmaße annehmen. Doch das könnte schon bald ein Ende haben. Denn wie viele Online-Händler, Hoteliers und Kleinunternehmer bereits gehört haben, tritt ab dem 12. Juli 2020 die neue P2B-Verordnung der Europäischen Union in Kraft. Die Verordnung hat das Ziel, die Rechte von gewerblichen Nutzern von Online-Plattformen und -Marktplätzen zu stärken, indem sie für mehr Transparenz, Fairness und Klarheit sorgt. 

Zukünftig müssen Verkaufsplattformen strengere Richtlinien gegenüber ihren Händlern erfüllen. Das soll potenzielle Willkür auf den Marktplätzen verhindern.

Da Online-Vermittlungsdienste heute als zentraler Vertriebskanal für handelnde Unternehmen gelten, sah die EU hier Verbesserungspotential. Denn wenn der faire Zugang zu Online-Marktplätzen und der Öffentlichkeit für gewerbliche Nutzer der Plattformen besser funktioniert, soll damit im Endeffekt auch das Wohl der Verbraucher steigen. Gibt es mehr Rechtssicherheit und Transparenz für die Händler, so die Erwartungshaltung, steht den Verbrauchern eine größere Bandbreite an Waren und Dienstleistungen zu besseren Preisen bereit. Und das in der gesamten Europäischen Union.

Von der sogenannten Plattform-to-Business-Verordnung (P2B-VO) sind in der gesamten Union insgesamt etwa 7.000 verschiedene Online-Plattformen betroffen: Das sind zum einen Online-Vermittlungsdienste aus der Reise- oder Hotelbuchungsbranche sowie Lieferdienstportale. Zum anderen kollaborative Marktplätze wie Idealo oder Rakuten, aber natürlich auch Ebay und Amazon. Daneben sind Vertriebsplattformen für Softwarenwendungen (beispielsweise App- und Play Store) sowie die Online-Shoppingdienste sozialer Medien betroffen – also auch Facebook & Co.

Nicht betroffen sind dagegen Online-Zahlungsdienste, Peer-to-Peer-Vermittlungsdienste ohne Beteiligungen gewerblicher Nutzer, Online-Werbebörsen und Softwaredienste für die Suchmaschinenoptimierung, 

Wichtige Änderungen durch die neue P2B-Verordnung

Unlautere Geschäftspraktiken sind in Zukunft noch deutlicher – und auch in verklausulierter Form – untersagt. Das bedeutet: Plötzliche AGB-Änderungen, unerwartete Löschung von Händlern auf Verkaufsplattformen oder eine unbegründete, intransparente Benachteiligung im Ranking der jeweiligen Sucherergebnis-Listen sollen der Vergangenheit angehören. Konkret hat die EU in ihrer Verordnung deshalb die folgenden Hauptpunkte beschlossen.

Strengere AGB: Verstärkte Informationspflicht für mehr Transparenz

Die P2B-Verordnung soll auch in Deutschland die Verständlichkeit von AGB noch einmal vereinfachen. AGB von Plattformbetreibern, die nicht klar und deutlich formuliert wurden, sind damit ab dem 12. Juli 2020 unwirksam

Die AGB für gewerbliche Händler müssen zukünftig genauso leicht auffindbar sein wie die für Verbraucher. Änderungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen die Plattformbetreiber ihren gewerblichen Nutzern zudem mindestens 15 Tage im Voraus aktiv mitteilen. Stimmt ein Händler nicht zu, kann er bis 15 Tage nach Erhalt der Änderung den Vertrag gesondert kündigen. Sein reguläres, vertragliches Kündigungsrecht besteht selbstverständlich weiterhin.

Aus den AGB muss außerdem eindeutig hervorgehen, welche Gründe zu einem (temporären) Ausschluss oder einer Beschränkung in der Plattform-Nutzung führen können. Sollte einem gewerblichen Händler eine Sperrung (oder gar Löschung) drohen, müssen dem Betroffenen die Gründe dafür zudem individuell mitgeteilt werden. Und das 30 Tage im Voraus. Einzige Ausnahme: Der Nutzer hat grob gegen die AGB der Online-Plattform verstoßen. In diesem Fall gelten die ursprünglichen Regelungen.

Auch der siebte Artikel der P2B-VO ist für Händler wichtig: Denn der Plattformbetreiber muss in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen offenlegen, sollte er selbst eigene Waren in Konkurrenz zu den gewerblichen Händlern vertreiben. Macht er hier Unterschiede in der Präsentation oder Listung, muss das klar erläutert werden.

Artikel 10 der EU-Verordnung wiederum dreht sich um die so genannten „Bestpreis-Klauseln“: Diese verpflichten Händler häufig dazu, die eigene Ware zu keinem günstigeren Preis als ein Wettbewerber (oder die Plattform selbst) anzubieten. Hierin sieht die EU ansonsten aus gutem Grund eine nicht gerechtfertigte Wettbewerbs-Einschränkung. Deshalb gilt ab dem 12. Juli 2020 auch hierfür eine Offenlegungs-Verpflichtung in den AGB. 

Suchmaschinen: Ergebnis-Ranking muss offengelegt werden

Die P2B-Verordnung zwingt Plattformbetreiber ebenfalls, die Kriterien für die Listung von Suchmaschinen-Rankings offenzulegen. Das ist mit Sicherheit ein Hauptpunkt der Verordnung, der mittelbar auch den Verbraucherschutz um den Endkunden stärken soll. 

Denn die Positionierung und Betonung des Suchergebnisses kann direkten Einfluss auf die Kaufentscheidung haben, trägt damit also auch zum Erfolg des jeweiligen Händlers auf der Plattform bei. Wer schlecht gerankt wird, hat wenig Chance auf Umsatz. Die Verordnung will daher eine willkürliche Listung verhindern, indem die Hauptparameter transparent in den AGB erläutert werden müssen. Das soll die Vorhersehbarkeit für die gewerblichen Nutzer steigern und Vergleiche mit anderen Online-Verkaufsplattformen zulassen.

Durch die Offenlegung objektiver Faktoren kann jeder Händler dann individuell dazu beitragen, seine Artikel besser zu positionieren. Kriterien wie der Preis, Verkaufszahlen, die Präsentationen der Produkte oder Rezensionen von Kunden können so in der Präsentation durch die Verkäufer anderes gewichtet werden und damit zu einem besseren Ranking beitragen. Auch Auskünfte, ob bessere Platzierungen in den Ergebnislisten durch direkte (oder indirekte) Provisionen an den Plattformbetreiber beeinflussbar sind, müssen zwingend aufgeführt werden, heißt es in Art. 5 der P2B-VO.

Mediationsverfahren und außergerichtliche Einigung durch P2B-Verordnung

Die P2B-Verordung strebt gleichzeitig an, Streitigkeiten zwischen Händlern und Online-Plattformen verstärkt außergerichtlich zu lösen. In diesem Sinne wurden Regelungen getroffen, die ein konstruktives Beschwerdemanagementsystem und Mediationsverfahren zur Klärung problematischer Praktiken ohne aufwendige Formalitäten ermöglichen.

Größere Plattformbetreiber sind daher ab dem 12. Juli 2020 dazu verpflichtet, intern ein kostenfreies System zur Klärung für Streitigkeiten mit gewerblichen Käufern einzurichten. Gerichte sollen hierdurch entlastet, Probleme zwischen gewerblichen Händlern und den Plattformen schneller und effektiver gelöst werden. 

Wird ein Händler etwa in den Suchergebissen herabgestuft oder sieht sich anderweitig benachteiligt, so kann er von der Plattform detailliert Auskunft verlangen, worin die Gründe liegen.

Darüber hinaus müssen die Betreiber von Online-Plattformen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen zukünftig Vermittler nennen, mit denen im Fall einer Beschwerde ein Mediationsverfahren durchgeführt werden kann. Der Effekt der Schlichtungsinstanz muss zudem im Nachhinein ausgewertet werden können.

Lediglich Unternehmen, die die Zahl von 50 Angestellten nicht überschreiten und einen Jahresumsatz von weniger als 10 Millionen Euro aufweisen, sind von der Mediationsverfahrens-Pflicht ausgenommen. Der formaljuristische Klageweg steht beiden Parteien im Zweifel selbstverständlich weiterhin offen, sollten das Problem und die Begründung nicht zufriedenstellend geklärt werden können.

Wird die P2B-Verordnung erfolgreich sein?

Eine Studie der EU zum Verbraucherschutz hat bei 148 von 399 Online-Shops manipulative Praktiken ergeben (Stand 01/2023).

Man kann also sagen, die EU hat recht schnell gehandelt – und zudem die wichtigsten Punkte in ihren Vorschriften angesprochen. Auch wenn keine konkreten, gesetzlichen Sanktionen in der Verordnung festgelegt sind (die wirksame Durchsetzung bleibt dem jeweiligen Mitgliedstaat überlassen), sollte die Transparenz und Rechtssicherheit für die Nutzer solcher Plattformen deutlich steigen.