
Ratgeber
Abstrakte vs. konkrete Verweisung in der Berufsunfähigkeitsversicherung
Verweisungsklauseln können darüber entscheiden, ob Sie im Ernstfall Ihre Berufsunfähigkeitsrente erhalten. Wir erklären, was die Klauseln bedeuten und worauf Sie beim Abschluss achten sollten.
Was sind Verweisungsklauseln und warum sind sie so wichtig?
Stellen Sie sich vor: Nach einem Bandscheibenvorfall können Sie nicht mehr als Krankenpfleger arbeiten. Die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) soll jetzt zahlen – doch plötzlich kommt die Ablehnung. Begründung: Sie könnten ja theoretisch im Büro arbeiten.
Willkommen in der Welt der Verweisungsklauseln. Diese unscheinbaren Paragrafen entscheiden darüber, ob Sie im Ernstfall Ihre BU-Rente erhalten oder leer ausgehen.
Abstrakte vs. konkrete Verweisung: Warum der Unterschied über Ihre finanzielle Zukunft entscheidet
Verweisung bedeutet: Der Versicherer prüft, ob Sie trotz Ihrer gesundheitlichen Einschränkung noch eine andere Tätigkeit ausüben könnten – oder bereits ausüben. Je nachdem, wie das geregelt ist, kann das zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führen. Was bedeutet abstrakte Verweisung?
So funktioniert die abstrakte Verweisung
Bei der abstrakten Verweisung kann der Versicherer Sie auf jeden beliebigen Beruf verweisen, den Sie theoretisch ausüben könnten – völlig unabhängig davon, ob:
- Sie diesen Job tatsächlich finden würden
- Sie dafür geeignet sind
- Er zu Ihrer Lebenssituation passt
Praxisbeispiel abstrakte Verweisung
Ein Chirurg erleidet eine Handverletzung und kann nicht mehr operieren. Der Versicherer argumentiert: "Sie könnten doch als medizinischer Berater arbeiten." Dass es solche Stellen kaum gibt und der Chirurg nie in diesem Bereich gearbeitet hat? Irrelevant. Ergebnis: Keine BU-Rente.
Die Tücken der abstrakten Verweisung
Die abstrakte Verweisung ist besonders problematisch, weil sie:
- Ihre Realität ignoriert: Was theoretisch möglich ist, muss praktisch nicht umsetzbar sein
- Sie in die Beweispflicht nimmt: Sie müssen beweisen, dass der vorgeschlagene Beruf nicht zumutbar ist
- Besonders Akademiker trifft: Je mehr Qualifikationen Sie haben, desto mehr "Alternativen" sieht der Versicherer
So funktioniert die konkrete Verweisung
Die konkrete Verweisung greift nur, wenn Sie bereits eine neue Tätigkeit aufgenommen haben, die:
- Ihrer Qualifikation entspricht
- Angemessen vergütet wird
- Ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht
Praxisbeispiel konkrete Verweisung
Eine Lehrerin mit Burn-out arbeitet nach der Reha als Personalreferentin – vergleichbares Gehalt, ähnliche Verantwortung. Hier ist eine konkrete Verweisung berechtigt, weil sie bereits erfolgreich einen passenden neuen Beruf ausübt.
Die Vorteile der konkreten Verweisung
- Realitätsbezug: Nur tatsächlich ausgeübte Tätigkeiten zählen
- Schutz vor Willkür: Keine theoretischen Konstrukte
- Faire Bewertung: Berücksichtigt Ihre tatsächliche Lebenssituation
Für Versicherte ist der Verzicht auf beide Verweisarten die beste Variante. Es kommt allerdings nur selten vor, dass Versicherungsunternehmen auf die konkrete Verweisung verzichten.
Wenn Sie eine Berufsunfähigkeitsversicherung bei der Bayerischen abgeschlossen haben, verzichten wir grundsätzlich auf die abstrakte Verweisung. Bei zusätzlich abgeschlossenem Prestige-Schutz verzichten wir zudem auf die konkrete Verweisung (es gibt Ausnahme für bestimmte Berufsgruppen wie Beamte, Richterinnen und Soldaten).
Warum die Verweisung über Ihre finanzielle Sicherheit entscheidet
Berufsunfähigkeit ist individuell
Ein Dachdecker mit Rückenproblemen hat andere Einschränkungen als ein Projektmanager mit Depressionen. Die abstrakte Verweisung behandelt jedoch beide gleich: Hauptsache, irgendeine Tätigkeit erscheint auf dem Papier möglich.
Besondere Risiken für Akademiker
Gerade Hochqualifizierte sind gefährdet: Je mehr Fähigkeiten Sie haben, desto mehr "Alternativen" kann der Versicherer konstruieren. Ein promovierter Ingenieur könnte theoretisch als Nachhilfelehrer arbeiten – praktisch ist das natürlich absurd.
Checkliste: Wichtige Fragen vor dem BU-Abschluss
Bevor Sie eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen, sollten Sie sich ehrlich fragen:
- Wie sieht mein Arbeitsalltag konkret aus? Körperlich, geistig, emotional?
- Welche anderen Tätigkeiten wären für mich realistisch? Nicht theoretisch, sondern praktisch?
- Wie wichtig ist mir mein aktueller Status, Gehalt, Verantwortung, Ansehen?
- Kann ich mir einen Berufswechsel vorstellen?
Verzicht auf Verweisungen bei der Bayerischen
Bei der Bayerischen haben wir eine klare Haltung: Abstrakte Verweisung hat in einer guten Berufsunfähigkeitsversicherung nichts zu suchen. Deshalb verzichten wir bewusst darauf – und zwar transparent und eindeutig. Mit der zusätzlich abschließbaren Option Prestige-Schutz verzichten wir darüber hinaus auf die konkrete Verweisung (ausgenommen davon sind versicherte Personen, die zum Zeitpunkt des Leistungsfalls Schüler, Studierende, Beamten und Beamtinnen, Richter, Soldaten, Freiwillig Wehrdienstleistende oder Hausfrauen/-männer sind).
Darauf sollten Sie beim Abschluss achten
Eine gute Berufsunfähigkeitsversicherung erkennen Sie unter anderem an folgenden Punkten:
- Verzicht auf abstrakte Verweisung: Bei abstrakten Verweisungsklauseln trägt der Versicherungsnehmer die Beweislast. Er oder sie muss beweisen, dass der Beruf, auf den verwiesen wird, nicht ausgeübt werden kann. Das ist eine sehr schwierige Aufgabe.
- Ausgestaltung der konkreten Verweisung: Hier sollten Die Bedingungen klar definiert sein. Achten Sie darauf, dass der Versicherer Einkommenseinbußen von maximal 20 % in den Bedingungen festschreibt.
Fazit: Sicherheit statt Überraschungen
Die Verweisung ist eine der wichtigsten Stellschrauben in der BU-Versicherung. Während die abstrakte Verweisung Ihre Leistung gefährdet, bietet der Verzicht darauf echte Sicherheit.
Wer sich optimal absichern will, braucht:
- Eine Versicherung ohne abstrakte und ggf. ohne konkrete Verweisung
- Transparente Bedingungen
- Einen Partner, der im Ernstfall zu seinem Wort steht
Denn am Ende geht es nicht um juristische Spitzfindigkeiten, sondern um Ihre finanzielle Existenz. Und die sollte auf Fakten basieren – nicht auf Theorien.