Die Organspende der Zukunft: Welche Alternativen für menschliche Organe bietet die Wissenschaft?

Den Organspendeausweis nicht mehr im Geldbeutel, sondern als Handyhintergrund? Ja, Sie haben richtig gelesen! Denn der digitalisierte Spenderausweis soll in Zukunft gang und gäbe werden – und ist damit nur eine von vielen Aktionen, welche das Thema „Organspende“ weiter in der Bevölkerung verbreiten soll, um neue Spender zu gewinnen.

Das geschieht nicht grundlos: Jährlich stehen in Deutschland lediglich etwa 3.000 freiwillige Spenderorgane bereit – und damit etwa 6.000 zu wenig, um alle bedürftigen Patienten retten zu können. Ein Problem, das leider täglich Leben kostet.

Ein Blick auf die Forschung lässt jedoch vermuten, dass sich die Situation schon bald bessern könnte. Denn Wissenschaftler liefern sich mit verschiedenen Ansätzen ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Krone der lang erwarteten Alternativen zur herkömmlichen Organspende. Im Labor gezüchtete Organe oder tierische Spender sind dabei nur zwei Möglichkeiten, der großen Knappheit an Spenderorganen zu begegnen.

Doch bis wann können wir mit einem Durchbruch in der Forschung rechnen? Und was ist zu tun, solange uns nur die obligatorische Organspende dabei helfen kann, Leben zu retten? Damit Sie alle Antworten auf diese Fragen kennen, geben wir heute einen kleinen informativen Forschungsüberblick zum Thema. Wir zeigen, welche potenziellen Methoden aus der Organknappheit führen können und was das für die Zukunft der Organtransplantation bedeutetet.

Organspende: Am Anfang war die Niere

Die erste Organtransplantation im Jahre 1954 durch den Arzt Joseph Murray war zweifelsfrei einer der größten Meilensteine der Medizingeschichte. Schließlich waren Patienten mit Organversagen nun nicht mehr dem Tod geweiht, sondern konnten auf eine echte Überlebenschance durch ein Spenderorgan hoffen. Der Pionier-Niere, die Murray erfolgreich transplantierte, folgten…

  • 1963 die erste Spenderlunge und -leber,
  • 1967 die erste erfolgreiche Pankreas- und Herztransplantation,
  • …sowie 1988 die erste Dünndarmtransplantation.

Doch Fortschritt hin oder her – das größte Problem der Organspende ist ganz offensichtlich: Um ein Organ spenden zu können, muss der Spender in den meisten Fällen bereits verstorben sein. Lediglich Niere und Leber sowie in seltenen Fällen Lunge, Dünndarm und Bauchspeicheldrüse können auch vom lebenden Spender entnommen und dem Bedürftigen eingesetzt werden.

Doch auch hier ist die Organspende nicht frei von Problemen: Die Lebendspende ist in Deutschland nur im Rahmen sehr strenger Voraussetzungen erlaubt. Zudem gehen Spender durch die Organentnahme ein Risiko für ihre Gesundheit ein, das ohne die Spende vermeidbar wäre.
Die Organspende, wie wir sie kennen, ist also alles andere als problemlos. Denn auch wenn die erste erfolgreiche Transplantation über sechs Jahrzehnte her ist, bleibt das Verfahren bis heute eine Transfertechnologie. Denn sie setzt entweder die risikoreiche Organentnahme von einem (Lebend-)Spender voraus – oder traurigerweise sogar dessen Tod.

Deshalb bleibt die Frage: Ist es möglich, durch eine Organtransplantation Leben zu retten, ohne die einhergehenden Probleme in Kauf nehmen zu müssen? Die medizinische Forschung ist dabei hoffnungsvoll gestimmt. Aber ist sie wirklich schon so weit, eine echte Ersatzmöglichkeit bieten zu können?

Was hat die Wissenschaft zu bieten?

Da wären beispielsweise Verfahren wie das Tissue-Engineering oder die Xenotransplantation. Das sind keine erfundenen Wörter, sondern vielmehr eine große Hoffnung der medizinischen Forschung. Denn dahinter steckt der Versuch der Wissenschaft, neue Möglichkeiten zur herkömmlichen Organspende zu schaffen.

Auf die Probe stellen Forscher hier nicht nur im Labor gebildete Organe (Tissue-Engineering), sowie die Transplantation tierischer Organe (Xenotransplantation). Auch an Organen aus dem 3D-Drucker und an technischen Kunstherzen tüfteln Experten fleißig, um so schnell wie möglich revolutionäre Ansätze bieten zu können.

Doch welcher Ansatz läuft dabei ins Leere und welcher bietet eine echte Chance? Wir sind in die Tiefen der Wissenschaft getaucht, um Klarheit über den Forschungsstand zu schaffen.

Das Kunstherz – nur ein vorübergehender Helfer?

Der alte Hase unter den Forschungsansätzen ist zweifelsfrei das Kunstherz. Schließlich ist es nun schon seit mehr als 30 Jahren fester Bestandteil der Medizintechnik. Der Name ist jedoch irreführend: Das Kunstherz ersetzt das Patientenorgan nicht vollständig, sondern unterstützt dieses lediglich mithilfe eines mechanischen Pumpsystems.

Das bietet besonders Patienten mit einer Herzmuskelschwäche eine gute Überlebenschance – jedoch nur auf Zeit. Denn das Kunstherz kann das Herz des Patienten nur einige Monate bis wenige Jahre unterstützen. Damit stellt es in den meisten Fällen eine Übergangslösung dar, bis ein passendes Spenderherz das Kunstherz ersetzen kann.

Die Hilfe auf Zeit sollte man jedoch nicht unterschätzen. Denn der Weg zu einem Spenderherz kann bis zu zwei Jahre dauern! Jahre, die viele Herzkranke nicht warten können.

Das Helferherz kann damit zwar Leben retten. Doch die Risiken des Kunstherzens sind alles andere als klein:

  • Bei vielen Modellen führt ein Elektrokabel aus dem Körper heraus. Das Kabel ist somit eine Leitschnur in das Innere des Patienten. So können Krankheitserreger in den Körper gelangen und für gefährliche Infektionen sorgen.
  • Bei der Transplantation können zudem Blutungen entstehen, die wiederum das Risiko für Schlaganfälle erhöhen.

Die Entscheidung für ein Kunstherz ist also eine riskante Angelegenheit. Neben der Tatsache, dass das künstliche Herz lediglich eine kurzzeitige Lösung darstellt, lässt dieses Gefahrenpotenzial viele Wissenschaftler skeptisch werden. 

Ist die Zeit des Kunstherzens etwa abgelaufen? Einige Wissenschaftler würden dieser Behauptung widersprechen. Denn die Forschung der letzten Jahre zeigt, dass das Ende der Fahnenstange für diesen Ansatz noch nicht erreicht ist: Technische Weiterentwicklungen sorgen dafür, dass die Konstruktion immer kompakter und die gesundheitlichen Risiken für den Empfänger immer geringer werden. 

Das steigert die Hoffnung, dass Kunstherzen in Zukunft nicht mehr nur als Übergang, sondern als endgültige Lösung für viele herzschwache Patienten fungieren könnten.

Tissue-Engineering: Kann man Organe im Labor züchten?

Vertreter des Tissue-Engineerings, also der Gewebezüchtung, haben vor allem ein Ziel vor Augen: Sie möchten Organe aus körpereigenen Zellen künstlich herstellen. Das klingt einfacher als es ist, denn dahinter steckt eine komplizierte Vorgehensweise.

Hierfür entnimmt man dem Patienten zuerst Stammzellen oder Gewebezellen, um diese im Labor anschließend zu vervielfältigen und zu einem neuen Organ aufzubereiten. Im nächsten Schritt soll das „Organ aus der Petrischale“ dem Empfänger eingesetzt werden.

Das Zuchtorgan ist jedoch noch Zukunftsmusik. Denn bis heute konnte kein Patient von einem laborgezüchteten Organ profitieren. Der Grund: Vertreter des Tissue-Engineerings haben noch einige Hürden zu überwinden. Besonders die Größe gezüchteter Organe macht der Forschung zu schaffen. Denn Leber- und Nierengewebe, welches Wissenschaftler bereits erfolgreich züchten konnten, ist wesentlich kleiner als das eines ausgewachsenen Menschen. Gezüchtete Organe müssen also noch einiges an Größe zulegen, um Patienten in Zukunft das Leben zu retten. 

Eine echte Chance die Organspende mithilfe von Tissue-Engineering zu ersetzen, sehen Forscher dennoch. Das liegt vor allem an einer Technik, welche das Organwachstum überraschend einfacher gestalten könnte: Der 3D-Druck.

3D-Technik: Kann man Organe wirklich ausdrucken?

Ein Organ aus dem Drucker? Das klingt erst einmal unglaublich. Vor allem, weil der eigene Drucker zu Hause oft schon nicht das macht, was er soll. Dennoch setzen Forscher auf der Suche nach einer Alternative zur Organspende auf genau diese Technik – wenn auch in 3D. Und tatsächlich: Die Anfänge sind bereits gemacht. 

Knorpel, Knochen und Muskelgewebe, sowie künstliche Eierstöcke konnte die Wissenschaft schon erfolgreich ausdrucken und daraufhin Mäusen einsetzen. Den Durchbruch erreichten israelische Forscher: Im Jahr 2019 druckten sie ein Miniaturherz aus menschlichem Gewebe.

Aber wie ist das möglich, wenn man bedenkt, dass beim Drucken in der Regel unnatürliche Materialien wie Tinte zum Einsatz kommen? Die Antwort: So genannte „Bio-Tinte“! Hinter dem relativ einfachen Begriff steckt ein kompliziertes Verfahren, bei dem menschliches Gewebe über verschiedene Schritte zu einem Gel verarbeitet wird. Dieses Gel, genannt Bio-Tinte, formen die Mediziner dann mithilfe des Druckers zu einem gesunden Organ.

Doch kann das ausgedruckte Organ tatsächlich mit den natürlichen Spenderorganen mithalten? Die Transplantationsmediziner sind optimistisch gestimmt – und sehen in dem gedruckten Organ sogar Vorteile zum natürlichen Pendant. Weil das gedruckte Organ aus dem Gewebe des Empfängers entsteht, ist die Wahrscheinlichkeit einer Immun-Abwehrreaktion nämlich deutlich geringer.

Der Organdruck scheint sich also zu einer hoffnungsvollen Variante zur herkömmlichen Organspende zu entwickeln. Bis dieser dem ersten Erkrankten das Leben retten kann, wird jedoch noch einige Zeit vergehen. Genau wie beim Tissue-Engineering ohne 3D-Druck, muss daran gearbeitet werden, die Größe der ausgedruckten Organe an den Menschen anzupassen. Zudem stehen noch zahlreiche Tierversuche an. Die Prognose: Bis zum Einsatz am Menschen werden noch viele Jahre vergehen. Bis dahin heißt es: Druckvorgang angehalten.

Und nur noch schnell der Vollständigkeit halber: Neben den beschriebenen Verfahren wird auch an zahlreichen, zum Teil sehr unterschiedlichen Ansätzen in diesem Bereich geforscht.

Xenotransplantation: Sind tierische Organspenden möglich?

Der 3D-Drucker lässt ein Organ außerhalb des menschlichen Körpers entstehen. Dieser Idee folgt auch die Xenotransplantation. Hierbei ist jedoch kein lebloser Drucker der „Brutkasten“, sondern lebendige Tiere. Erfolg verspricht dabei vor allem die Transplantation von Organen des Schweins in den Menschen. Der Grund: Schweineorgane sind menschlichen Organen physiologisch besonders ähnlich.

Könnte dieser Forschungsansatz also schon bald zur Wirklichkeit werden? So weit ist die Wissenschaft leider noch nicht. Tierversuche, in denen Schweineorgane in Affen transplantiert wurden, waren nämlich kaum erfolgreich. Die Körper der Affen stießen das Spenderorgan nach der Operation wieder ab. Um das zu verhindern, setzen Forscher nun auf die Genmanipulation der Schweine.  

  • Idee #1: Indem man die störenden Gene der Schweine inaktiviert, lässt sich die Abstoßung zwar nicht verhindern, jedoch zumindest verzögern.
  • Idee #2: Um auch eine verzögerte Abstoßung des Organs auszuschließen, werden nun menschliche Gene in das Schwein eingesetzt.

Ob diese Genmanipulationen tatsächlich zum Durchbruch führen, ist ungewiss. Denn so konnte beispielsweise bisher noch kein Mediziner den Versuch unternehmen, ein genmanipuliertes Schweineorgan bei einem Menschen zu transplantieren.

Die mögliche Abstoßungsreaktion ist jedoch nicht das einzige Problem der Xenotransplantation. Auch die Gefahr der Virenübertragung der Tiere auf den Menschen beschäftigt die medizinische Expertenwelt.

Zudem werden auch ethische Bedenken laut. Um die Virengefahr möglichst klein zu halten, müssten die Spenderschweine nämlich in absolut sterilen Laboren gehalten werden. Von einer artgerechten Tierhaltung könnte deshalb keine Rede sein. Auch Stimmen von Transplantationsmedizinern, die von einem Missbrauch der Tiere als „Ersatzteillager“ sprechen, werden immer nachdrücklicher. 

Unser Fazit: Über die Xenotransplantation als Ersatzmöglichkeit zur Organspende herrscht (noch) großer Unmut in der Welt der Medizin.

Organspende: Was bleibt über die "Organe der Zukunft" zu sagen?

Ob Organe aus einem Forschungsinstitut, die Weiterentwicklung des Kunstherzens oder tierische Organspender: Die Wissenschaft ist keineswegs ideenlos. In vielen Bereichen wird fleißig geforscht, um so bald wie möglich eine Alternative zur Organspende von Mensch zu Mensch zu finden. Das ist auch deshalb sehr wichtig, da die Zahlen gespendeter Organe – zu Lebzeiten wie auch nach dem Hirntod – in Deutschland weiter rückläufig sind. Dass der Bundestag im Januar 2020 das Gesetz zur Widerspruchslösung abgelehnt hat, war für wartende Empfänger von Organen dabei ebenfalls nicht sehr hilfreich. So bleibt es hierzulande erstmal bei der bekannten „Hop oder Top-Lösung“, bei der man aktiv sein Einverständnis zur Organentnahme in einem speziellen Ausweis festhalten muss.
Denn Fakt ist, dass aktuell keiner der Ansätze eine echte Alternative zur freiwilligen menschlichen Organspende darstellen kann. Bis ausreichend Versuche durchgeführt und störende Hindernisse überwunden sind, kann es noch viele Jahre bis Jahrzehnte dauern. Leider.

Bis dahin ist also wirklich unsere Hilfe gefragt. Denn solange keiner der Forschungsansätze seinen Durchbruch feiert, kann nur die Organspende das Leben vieler Patienten retten. Möchten auch Sie einen Beitrag leisten, können Sie sich bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) den Spenderausweis ganz klassisch herunterladen oder bestellen.  

Oder Sie nutzen eines der modernen Internetangebote, mit denen man sich ein hübsches Motiv für den digitalen Organspendeausweis aussuchen kann.