Die größten Haftungs-Irrtümer im Verkehr, beim Einkaufen und im Umgang mit Kindern

Manche Dinge sind für uns so selbstverständlich, dass wir sie nur selten hinterfragen. Umso überraschender ist es dann, wenn sich scheinbare Tatsachen als falsch herausstellen. 

Das kann nicht nur verblüffend für den Getäuschten sein, sondern im Falle von Haftungsirrtümern leider schnell auch mal zu unschönen Auseinandersetzungen führen. Schließlich geht es hierbei in der Regel auch um finanzielle Fragen, sodass beide Parteien auf ihr Recht beharren.  

Damit Sie gar nicht erst in eine solche Situation geraten, hilft es, die wichtigsten Alltags-Irrtümer schon vorher zu kennen. Deshalb haben wir die größten Haftungsfragen für Sie auf ihren jeweiligen Wahrheitsgehalt hin geprüft! 

Irrtümer im Straßenverkehr

Wer von rechts kommt hat Vorfahrt, überholt wird nur von links und Wenden auf Bundesstraßen ist sowieso tabu – der Straßenverkehr ist voller Regeln. Und das ist auch gut so. Schließlich lauern hier viele Gefahren. 
Dennoch ist es nicht verwunderlich, dass Autofahrer im Vorschriften-Dschungel nicht immer einwandfrei durchblicken. Wir klären die bekanntesten Verkehrs-Irrtümer auf. Los geht’s:

Verkehrs-Irrtum #1: Über meine Kfz-Versicherung bin nur ich versichert?

Möchten Freunde oder Verwandte das Auto ausleihen, lehnen viele Autobesitzer erst einmal ab. Schließlich ist der Glaube, dass der Schutz einer Kfz-Haftpflichtversicherung grundsätzlich nur für den Besitzer eines Wagens gilt, weit verbreitet. 

Gleich vorweg: Das ist auch grundsätzlich nicht falsch gedacht. Denn wer auf der Fahrt mit Ihrem Auto versichert ist (und wer nicht), entscheidet der dazugehörige Versicherungsvertrag. Hier ist in der Regel festgehalten, welche Personen von der Kfz-Versicherung umfasst werden. 

Das bedeutet jedoch nicht, dass Sie bei einem Unfall, den ein nicht eingetragenen Fahrer mit Ihrem Auto verschuldet, als Halter persönlich für den Schaden finanziell geradestehen müssen. In diesem Fall kommt Ihre Versicherung nämlich dennoch für den beim Unfallgegner entstandenen Schaden auf. 

Ganz so glimpflich kommen Sie aber dennoch nicht davon. Denn da Sie als Fahrzeughalter mit dem Ausleihen Ihres Wagens an einen nicht eingetragenen Fahrer jedoch eine Vertragsverletzung begangen haben, müssen Sie nach dem Unfall mit Sanktionen durch Ihre Versicherung rechnen. Hier drohen beispielsweise Vertragsstrafen oder eine rückwirkende Neuberechnung Ihres Tarifs. Was dabei genau auf Sie zukommen kann, ist in den Vertragsbedingungen festgelegt.

Eine Einschränkung des Fahrerkreises in Ihrer Versicherung sollten Sie deshalb nicht auf die leichte Schulter nehmen. Oft bieten Versicherungen jedoch die Möglichkeit, weitere Personen nachträglich oder nur temporär in die Police aufzunehmen. 

Verkehrs-Irrtum #2: Dashcams im Auto sind in Deutschland nicht erlaubt?

Dashcams erfreuen sich in Deutschland zwar immer größerer Beliebtheit, sorgen jedoch gleichzeitig immer wieder für Ärger auf den Straßen. Denn nicht selten kommt es aufgrund der kleinen Autokameras zu Auseinandersetzungen zwischen Autofahrern. Viele Verkehrsteilnehmer sind nämlich der Meinung, dass Dashcams hierzulande überhaupt nicht erlaubt seien – und haben damit teilweise Recht. 

Der Einsatz von Dashcams war in Deutschland nämlich lange umstritten. Denn die bei der Benutzung entstandenen Videoaufnahmen gelten als Persönlichkeitsrechtverletzung der (zwangsläufig) gefilmten Autofahrer. 

Im Jahr 2018 entschied der Bundesgerichtshof jedoch, Dashcam-Aufnahmen im Falle eines Unfallprozesses dennoch als Beweismittel zuzulassen und schuf damit ein erstes Grundsatzurteil. Die Begründung: Laut BGH-Urteil zeichne die Dashcam ohnehin nur das auf, was jedermann selbst im öffentlichen Straßenverkehr sehen kann. Zusätzlich könnten, wie im Falle des untersuchten Unfalls, die Aufzeichnungen wichtig für Unfallgutachter und Versicherungen sein. 

Dieses Urteil erlaubt die Dashcam-Nutzung zumindest bei gegebenem Anlass, etwa im Falle eines Unfalls. Ein permanentes Aufnehmen während der Fahrt ist jedoch immer noch untersagt. Viele Dashcam-Modelle können deshalb mittels eines Sensors erkennen, wenn Gefahr im Anmarsch ist. Die Kameras identifizieren untypisches Fahrverhalten, wie etwa ein plötzliches Bremsen, automatisch und speichern nur die relevanten Aufnahmen ab.

Verkehrs-Irrtum #3: Wer bei einem Unfall auffährt, hat immer Schuld?

Bei einem Auffahrunfall im Straßenverkehr ist der Verursacher meist schnell gefunden. Schließlich ist die Regel „Wer auffährt, hat Schuld“ nahezu jedem Autofahrer bekannt. Doch Tatsache ist: Auch der Vorausfahrende kann eine Teilschuld haben! Das ist nämlich zum Beispiel dann wohl der Fall, wenn dieser grundlos und plötzlich abbremst

Eine hierfür typische Situation ergibt sich etwa bei der Parkplatzsuche: Sieht der Vorausfahrende einen freien Parkplatz im letzten Moment, bremst deshalb plötzlich ab und verursacht so einen Auffahrunfall, muss dieser zumindest mit einer Teilschuld rechnen. 

Das ist ebenso der Fall, wenn Autofahrer vor einem Blitzer, bei einer grünen Ampel oder kleinen Tieren auf der Straße scharf abbremsen.

Verkehrs-Irrtum #4: Winterreifen sind Pflicht?

Im Winter traut sich kaum ein Autofahrer ohne das entsprechende Reifenwerk auf die Straßen. Schließlich erinnert die „O-bis-O“-Regel daran, von Oktober bis Ostern auf Winterreifen umzusteigen. Diese Regel ist jedoch lediglich eine Empfehlung, um das ganze Jahr sicher auf den Straßen unterwegs zu sein. 

Eine allgemeine Winterreifen-Pflicht existiert in Deutschland nämlich nicht. Stattdessen müssen Autofahrer ihr Reifenwerk situationsbedingt wechseln. Das bedeutet: Erst bei winterlichen Bedingungen wie Frost, Schnee oder Eis sind Winterreifen wirklich Pflicht. 

Bleibt es in Ihrer Gegend den ganzen Winter über mild, sind Sie im Umkehrschluss auch nicht zum Reifenwechsel verpflichtet – sollten im Fall der Fälle aber dann auch das Auto besser stehenlassen, wenn es dann doch mal schneit.

Die größten Shopping-Irrtümer

Eine ausgiebige Einkaufstour ist für Shoppingliebhaber das reine Vergnügen. Doch auch beim Einkaufen kann es schnell zu Missverständnissen kommen, die selbst dem größten Shoppaholic den Ladenbummel vermiesen. Deshalb klären wir die bekanntesten Shopping-Irrtümer schon vor Ihrem nächsten Ausflug in die Läden auf. 

Shopping-Irrtum #1: Ein Gutschein kann nicht ablaufen!

Zu Weihnachten, an Geburtstagen oder bei anderen Festlichkeiten sind Einkaufsgutscheine ein beliebtes Geschenk. Die kleinen Aufmerksamkeiten verschwinden jedoch schnell in Schubladen oder den Tiefen des Geldbeutels und tauchen erst nach einiger Zeit wieder auf. Viele Kunden sehen darin kein Problem. Schließlich verfallen Geschenkgutscheine nicht – oder vielleicht doch?

Auch hierbei handelt es sich um einen typischen Shopping-Irrtum. Denn auch wenn kein Verfallsdatum auf dem Gutschein vermerkt ist, gilt dennoch eine (gesetzliche) Verjährungsfrist von drei Jahren. 

Gleichzeitig ist es den ausstellenden Unternehmen untersagt, die Geltungsfrist des Gutscheins zu kurz zu halten. Zwar existieren hier keine einheitlichen Regelungen, einen Ansatzpunkt schaffen jedoch Urteile des Landesgerichts München. Dieses erklärte eine Gutschein-Gültigkeit von einem Jahr (zumindest im Kontext des Onlinehandels) als zu kurz und damit als unzulässig.

Shopping-Irrtum #2: Das Berühren der Ware verpflichtet zum Kauf!

Haftungs-Irrtümer können uns auch beim Selbstbedienungs-Bäcker begegnen. Schließlich kennt wohl jeder die warnenden Schilder mit der Aufschrift „Das Berühren der Ware verpflichtet zum Kauf“. Was erst einmal einschüchternd klingt, ist in Wahrheit jedoch nicht mehr als eine streng formulierte Bitte des Supermarkts, Brötchen & Co. nicht leichtsinnig anzufassen und an ihnen herumzutatschen. 

Denn Tatsache ist, dass nur ein formgerecht geschlossener Vertrag zum Kauf verpflichten kann. Und der erfordert unter anderem die klare Einwilligung des Käufers – die mit einem Anfassen der Waren noch nicht gegeben ist. Hinweise, die den Kunden nach dem schlichten Berühren einer Backware zum Kauf verpflichten wollen, sind damit also unzulässig. 

Ein anderes Bild ergibt sich, wenn Lebensmittel durch das Berühren unverkäuflich werden. Dann kann der Supermarkt oder die Bäckerei nämlich Schadenersatz verlangen. Hierzu müsste das Berühren der Backwaren allerdings beobachtet und dokumentiert werden. Zudem muss man Ihnen den entstandenen Vermögensschaden nachweisen. Da sich der Aufwand in diesem Fall kaum lohnt, verzichten Bäckerei und Märkte in der Regel auf diese Forderungen. 

Berühren Sie Brötchen, Croissant & Co. ohne Kaufabsicht, kann Ihnen – auch wenn warnende Schilder dagegensprechen – also in der Regel nichts passieren. Unnötig in die Hand nehmen sollten Sie die Backwaren dennoch nicht. Schließlich möchten Sie auch selbst kein mit den Fingerabdrücken anderer verziertes Lebensmittel essen. 😉

Shopping-Irrtum #3: Verbraucher haben ein Rückgaberecht!

Wenn die neu gekaufte Jeans nicht sitzt oder das Weihnachtsgeschenk ein Reinfall war, sind Rückgabe oder Umtausch meist die letzte Lösung. Weigert sich das Geschäft jedoch, die Ware zurückzunehmen, ist die Empörung oft groß. Schließlich ist der Glaube an ein gesetzlich verankertes Rückgaberecht weit verbreitet. Stellt sich nur die Frage: Zurecht?

Tatsächlich handelt es sich bei der Rückgabemöglichkeit in Geschäften jedoch um reine Kulanz. Eine gesetzlich festgelegte Möglichkeit für Rückgabe oder Umtausch einer mangelfreien Ware existiert hingegen nicht. Im Zweifelsfall „haften“ Kunden also selbst für ihren Fehlkauf.

Das gilt allerdings nur für den Einzelhandel. Bei Fernabsatzverträgen, welche etwa beim Online-Shopping zustande kommen, besteht hingegen ein gesetzlich verankertes Widerrufsrecht von 14 Tagen ab dem Tag des Warenerhalts.

Und noch ein paar „übliche“ Haftungsirrtümer

Nicht nur im Straßenverkehr und beim Shopping-Ausflug kommen so manche Irrtümer auf. Auch in den folgenden Alltagssituationen sorgen Haftungsfragen nicht selten für Verwirrung. Wir klären auf, was hinter den folgenden Mythen steckt.

Haftungs-Irrtum #1: Eltern haften für Ihre Kinder!

…dieser Hinweis schmückt hierzulande unzählige Baustellenzäune, Privatgrundstücke und andere „gefährliche Orte“. Doch wie viel „echte Haftpflicht“ ist an den warnenden Schildern überhaupt dran? 

Besorgte Mütter und Väter können wir erst einmal beruhigen. Eltern haften nämlich nur dann für Ihren Nachwuchs, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Wann das der Fall ist, hängt von Faktoren wie dem Alter oder der Reife des Kindes ab. 

Generell gilt: Ab einem Alter von vier Jahren müssen die Kleinen Schritt für Schritt lernen, selbstständig zu handeln. Eltern müssen dann also nicht mehr „dauerhaft“ ein Auge auf dem Nachwuchs haben.  

Doch wer haftet, wenn die Aufsichtspflicht nicht verletzt wurde? 

Auch hier ist das Alter entscheidend. Kinder unter sieben Jahren haften nie selbst. Verursachen diese einen Schaden, bleibt der Geschädigte auf den Kosten sitzen. Im Straßenverkehr gilt dieser Haftungsgrenze sogar bis zu einem Alter von zehn Jahren. 

Übrigens: Wenn ältere Kinder Schäden verursachen und keine Aufsichtspflichtverletzung der Eltern vorliegt, muss der Nachwuchs im schlimmsten Fall selbst haften. Hierfür kann das Kind bis zu 30 Jahre nach der Tat – jedoch frühestens, wenn es ein eigenes Einkommen hat –herangezogen werden. 

Ob es dann jedoch tatsächlich noch zu einem strengen Urteil kommt, hängt vor allem von der damaligen Einsichtsfähigkeit des Kindes ab. Konnte es die potenziellen Folgen seiner Taten nämlich noch nicht ausreichend einschätzen, haftet es auch nicht dafür.

Haftungs-Irrtum #2: Bei Schnee müssen Anwohner den Gehweg räumen!

Wenn im Winter der Schnee oder im Herbst das Laub auf die Gehwege rieselt, legen viele Hausbesitzer und Mieter sofort mit dem Schnee oder Herbstlaub schippen los. Schließlich ist die Annahme, dass Anwohner für geräumte Wege verantwortlich sind, weit verbreitet. Das ist jedoch nicht immer der Fall! 

Denn eigentlich müsste die zuständige Stadtverwaltung für freie Wege im Winter sorgen. Diese übergibt die Räumungspflicht jedoch in vielen Fällen im Rahmen einer Stadt- oder Gemeindesatzung an die Haus- und Grundstückbesitzer weiter. Ist das auch in Ihrem Ort der Fall, müssen Sie also wohl leider doch ran an die Schneeschaufel. 

Ach ja: Mieter sind nur in bestimmten Fällen für die Schneeräumung zuständig. Und zwar nur dann, wenn es im Mietvertrag festgehalten ist. Gibt es in Ihrem Vertrag keine Regelungen zum Schneeräumen, können Sie sich auch beim winterlichsten Wetter entspannt zurücklehnen. Für Laub gilt in der Regel dasselbe.