Familienpflegezeit unter der Lupe: Das sollten Sie über die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf wissen!

In Deutschland gibt es 3,41 Millionen pflegebedürftige Menschen – eine ziemlich hohe Zahl. Besonders wenn man bedenkt, dass es lediglich 14.500 Pflegeheime und nur 14.100 ambulante Pflegedienste im Land der Dichter und Denker gibt. Da unsere Gesellschaft durch den demografischen Wandel zudem immer älter wird, steigt auch die Zahl der Pflegebedürftigen immer weiter an. Seit dem 1. Januar 2012 hat der Staat daher Gegenmaßnahmen eingeleitet, um auch Angehörige bei der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf besser zu unterstützen.

Die Idee: Eine sogenannte Familienpflegezeit! Mit der ist es nämlich (engeren) Angehörigen möglich, bei privaten Pflegeleistungen eine dauerhaftere Mehrfachbelastung von Beruf und Pflege deutlich zu verringern. 

Obwohl das für viele pflegende Angehörige eine gute Sache sein kann, ist die bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf vielen noch gänzlich unbekannt – denn im Gegensatz zu Unterstützungsleistungen wie etwa dem Elterngeld wird die Familienpflegezeit nicht oft beantragt. Wie auch, wenn (zumindest gefühlt) fast niemand davon weiß. Wir finden: Ein guter Grund für uns, Sie einmal umfassend über Ihre Ansprüche zu informieren.

Unser heutiger Ratgeber dreht sich darum um die wichtigsten Punkte zur Familienpflegezeit und das Familienpflegezeitgesetz. Dafür klären wir Fragen wie:

  • Was hat es mit der Familienpflegezeit auf sich?
  • Wer kann wann Familienpflegzeit beantragen?
  • Kann mein Arbeitgeber die Familienpflegezeit ablehnen?
  • Wie ist die Familienpflegezeit mit der Pflegezeit genau verzahnt?

Familienpflegezeit: Was ist das überhaupt?

Kurz erklärt: Die Familienpflegezeit gibt Ihnen als Arbeitnehmer(in) die Möglichkeit, Ihre Arbeitszeit auf bis zu 15 Stunden pro Woche im Jahres-Durchschnitt zu reduzieren, um einen nahen Angehörigen häuslich längerfristig zu pflegen. Bis zu 24 Monate können Sie sich dann zeitweise von der Arbeit freistellen lassen und müssen für die Gesamtdauer der Pflege lediglich die besagte Mindestarbeitszeit einhalten.

Für die Dauer der häuslichen (Familien-)Pflege unterstützt Sie der Staat dann finanziell im Rahmen des Pflegegesetzes. Denn das reduzierte Gehalt des Arbeitgebers wird durch ein zinsloses Darlehen aufgestockt. 

Für Sie als Pflegenden bedeutet das konkret: Betreuen Sie einen nahen Angehörigen mit Pflegeleistungen, beziehen Sie in dieser Zeit ein höheres Gehalt, als Ihnen durch Ihre faktische Arbeitszeit zusteht. Die Details und den nötigen Ausgleich regeln Staat und Arbeitgeber untereinander, Sie müssen nur die entsprechenden Formulare einreichen. Im Anschluss an Ihre familiäre Pflegeleistung zahlen dann nicht Sie, sondern der Arbeitgeber das Darlehen an den Bund, genauer gesagt: das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA), zurück.

Ganz „ungeschoren“ kommen allerdings auch Sie als Arbeitnehmer nicht davon. Denn ist die Familienpflegezeit schließlich vorbei, arbeiten Sie für den gleichen Zeitraum bei entsprechend geringerem Gehalt für Ihrem Arbeitgeber weiter – quasi als Gegenleistung für das gewährte Darlehen.

Klingt unfair? Ist es aber nicht. Denn während der Familienpflegezeit haben Sie schließlich ein höheres Gehalt bezogen, als Sie tatsächlich an Arbeitsleistung in ihrem Betrieb erbracht haben. Was auf den ersten Blick kompliziert klingt, wird mit einem kleinen Rechenbespiel schnell klarer: 

Wer auf Basis der Familienpflegezeit die eigene Wochenarbeitszeit für eine Dauer von zwölf Monaten beispielweise um 50 Prozent reduziert, bekommt während der Pflegezeit 75 Prozent des regulären Gehalts.

Im Anschluss an die Familienpflegezeit bleibt es dann auch bei wiederaufgenommener Vollzeittätigkeit für weitere zwölf Monate bei diesen 75 Prozent. Erst danach ist das „Zeitkonto“ wieder ausgeglichen.

Der Vorteil dieser Regelung liegt vor allem im zeitlichen Aspekt. Denn mit der Familienpflegezeit verschaffen sich die Pflegenden Zeit, um alles zu regeln und sich an die neue Situation zu Hause zu gewöhnen. Wer das Ganze selbst einmal spielerisch durchrechnen will, kann dafür den Familienpflegezeit-Rechner des zuständigen Bundesamts nutzen.

Ratgeber Grafik Familienpflegezeit

Die Familienpflegezeit für Berufstätige nochmal kurz zusammengefasst.

Wer kann als Angehöriger Familienpflegzeit beantragen – und wann?

Voraussetzung für die Genehmigung der Familienpflegezeit ist, dass ein naher Angehöriger zum akuten Pflegefall wurde. Das muss nachgewiesen werden, etwa durch eine Bescheinigung des Medizinischen Dienstes oder der Pflegekasse. Als enge Verwandte oder Angehörige zählen dabei

  • Großeltern und Eltern
  • Schwiegereltern und Stiefeltern
  • Ehegatte oder Lebenspartner
  • Geschwister und verschwägerte Personen
  • Enkel- und Pflegekinder

Kann mein Arbeitgeber die Familienpflegezeit ablehnen?

Arbeiten Sie in einem Unternehmen, das mehr als 25 beschäftigte Mitarbeiter hat, so besteht für Sie ein Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit – das ist wichtig zu wissen. Zudem genießen Sie in der Pflegezeit auch einen Kündigungsschutz.

Doch Vorsicht: Wenn Sie die Familienpflegezeit beantragen wollen, müssen Sie das rechtzeitig in die Wege leiten. Das bedeutet, Ihre erforderlichen Anträge sind acht Wochen vor Beginn zu stellen.

Alle notwendigen schriftlichen Dokumente zu diesem Zweck und dem Thema „Pflege“ stellt glücklicherweise das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in seinem Servicebereich zur Familienpflegezeit online vollständig für Sie bereit.

Familienpflegezeit und Pflegegesetz: Zwischen kurzzeitiger Arbeitsverhinderung und Möglichkeiten für ein längerfristiges Pflege-Darlehen

Das Interessante an der Familienpflegezeit ist, dass sie seit Januar 2015 eng mit den Regelungen zur Pflegezeit verzahnt wurde. Wie Sie das für sich und Ihre Ansprüche nutzen können, zeigen wir jetzt.

10 Tage kurzzeitige Job-Freistellung pro akutem Pflegefall

Tritt in Ihrem engeren Familienumfeld ein plötzlicher Pflegefall ein, können Sie sich als Angehöriger relativ schnell und einfach für zehn Arbeitstage freistellen lassen. Das muss nicht unbedingt am Stück erfolgen, zudem gilt die Auszeit jeweils pro Pflegefall in der Familie.

Die Zeit soll helfen, alle notwendigen Maßnahmen zu schaffen, um die neue Situation rund um die Pflegeperson gut zu bewältigen. Also zum Beispiel alles für einen Platz im Pflegeheim einzuleiten, selbst kurzzeitig zu pflegen oder alternativ einen ambulanten Pflegedienst zu beauftragen.

Die zehntägige Auszeit können Sie dabei im Übrigen auch unter der Familie aufteilen. Wollen also etwa zwei Geschwister die Pflege ihrer Eltern auf den Weg bringen, können beide jeweils fünf Tage Arbeitsverhinderung geltend machen. Ein praktischer Anspruch!

Das gilt dann sogar unabhängig von der Unternehmensgröße, also auch bei weniger als 25 Beschäftigten. Dazu kann die Freistellung praktischerweise im Akutfall ohne Vorlaufzeit beantragt werden. Sie müssen Ihrem Arbeitgeber lediglich den Grund Ihres Arbeitsausfalls und die geschätzte Dauer mitteilen.

Kleines Manko: Während den maximal zehn „befreiten“ Tagen gibt es in den meisten Fällen für Sie keine Lohnfortzahlung. Im Falle einer derart kurzfristigen Freistellung müsste das nämlich eigentlich bereits zuvor im Arbeitsvertrag geregelt worden sein – und darüber haben wohl nur sehr wenige bei Dienstantritt nachgedacht. 

Um genau dieses Problem auszugleichen, gibt es jedoch das so genannte Pflegeunterstützungsgeld: Während der pflegebegründeten Freistellung schraubt das den Nettoverdienst auf immerhin 90 Prozent des bisherigen Gehaltes auf. Die Beantragung gelingt über die Pflegekasse des Pflegebedürftigen.

Als Nachweis reicht in der Regel bereits eine Bescheinigung des Arztes aus, dass ein (baldiger) Pflegefall vorliegt. Die Angabe des konkreten Pflegegrads ist noch nicht notwendig – diese Information kann nachgereicht werden.

Pflegezeit: Voraussetzungen für eine erste längere Arbeitsverhinderung

Haben Sie sich in den beschriebenen ersten zehn Tagen dazu entschlossen, Ihren nahen Verwandten zu Hause selbst zu pflegen, wird der zweite mögliche „Pflege-Schritt“ wichtig. Denn in der so genannten Pflegezeit haben Sie einen Rechtsanspruch auf eine bis zu sechs Monate lange Freistellung – und das in Teilzeit oder Vollzeit.

Ihr Betrieb muss hierfür lediglich mehr als 15 Mitarbeiter beschäftigen. Eine konkreter Pflegegrad (früher: Pflegestufe) sollte zudem bereits attestiert sein, kann aber in der Regel auch noch binnen 14 Tagen nachgereicht werden.

Während die Inanspruchnahme für eine kurzfristige Freistellung sofort möglich ist, gibt es für die länger andauernde Pflegezeit eine wichtige Frist zu bedenken: Die Vorankündigung bei einem pflegebedürftigen Angehörigen beträgt mindestens zehn Tage gegenüber dem Arbeitgeber.

Unser Tipp:

Wenn Sie glauben, dass eine kurzfristige Freistellung im Akutfall nicht ausreicht, beantragen Sie im Gespräch mit Ihrem Arbeitgeber einfach gleich (prophylaktisch) die Pflegezeit mit. Durch die zehntägige Ankündigungsfrist verlaufen so beide Schritte fließend ineinander.

Das Pflegegesetz macht es dabei möglich, dass Sie auch hierbei ein zinsloses Darlehen in Anspruch nehmen. Die eigene Lebensqualität sollte schließlich finanziell nicht unter der privaten Pflegeinitiative leiden. Das BAFzA ersetzt dabei auch hier mit einem Darlehen die Hälfte Ihres Netto-Gehaltes, das durch die beantragte Teilzeit verloren geht. Nach der Pflegezeit ist es Ihnen zudem möglich, ihren vorherigen Beruf wieder nahtlos an derselben Stelle in Vollzeit aufzunehmen. Da sie wieder unter Kündigungsschutz stehen, müssen Sie also keine Sorge vor einer Kündigung haben.

Familienpflegezeit auch in Kombination mit Pflegezeit möglich

Reichen auch die sechs Monate für die häusliche Pflege des Kranken nicht aus, greift nun die eingangs thematisierte Familienpflegezeit. Wie weiter oben erklärt, gilt die nämlich für einen längeren Zeitraum – kann aber auch ohne Pflegezeit isoliert und direkt beantragt werden. Diese zusätzliche Flexibilität sollten Sie also auf jeden Fall im Hinterkopf behalten.

Für bis zu 24 Monate können Sie dann eben bei einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 15 Stunden in der Woche staatliche Unterstützungen in Anspruch nehmen. Wollen Sie alle drei Schritte miteinander kombinieren, bedenken Sie aber bitte eines: Auch hier gilt insgesamt eine Höchstdauer von 24 Monaten.

Private Pflegeversicherung: Nicht nur auf Staat und Familie vertrauen

Auch wenn wir hoffen, dass Sie von einer Pflegesituation in der Familie verschont bleiben: Sollte sich ein pflegebedürftiger naher Angehöriger ankündigen, wissen Sie nun gut Bescheid. Die wichtigsten Punkte und sozialen Anlaufstellen haben wir Ihnen gerne bereitgestellt. Da private Vorsorge heute in vielen Bereichen immer notwendiger wird, sollte man sich allerdings nicht immer auf die Möglichkeit der Pflege durch Angehörige verlassen. Die Pflegelücke wird leider größer werden, die Gesellschaft wohl immer mobiler. 

Es ist daher immer gut, sich frühzeitig mit dem Thema selbst zu befassen – auch wenn es erst einmal unangenehm klingt. Denn das entlastet im Fall der Fälle nicht nur Sie selbst, sondern vor allem auch die eigenen Angehörigen. 

Wer eine sichere Grundversorgung für das Alter sucht, die über die gesetzliche Pflegeversicherung hinausgeht, sollte sich daher mit dem Abschluss einer privaten Pflegeversicherung auseinandersetzen.