Kann man Schulden erben?

Wenn es ums Thema "Erben" geht, haben viele Menschen noch immer eine romantische Vorstellung: Nach dem Verlust eines oder einer geliebten Angehörigen tun sich plötzlich ungeahnte Reichtümer auf. Die hinterlassenen Bankkonten laufen beinahe schon über, im Eigenheim findet sich ein prall gefüllter Tresor mit wertvollen Uhren und allerlei Goldschmuck. Und beim Ölgemälde über der Couch handelt es sich überraschender Weise um einen Van Gogh.

Das klingt nach einer verlockenden Vorstellung, doch die Realität sieht leider oft anders aus. Nicht selten ist das Einzige, was der Testamentsvollstrecker aus den Erbunterlagen vortragen kann: Schulden.

Schon jetzt gelten in Deutschland mehr als eine Million Menschen über 60 Jahre als überschuldet. Was also tun, wenn auch Sie befürchten, als Erbe eines riesigen Bergs an Nachlassverbindlichkeiten antreten zu müssen? Wie Sie nicht in die Kostenfalle tappen und was Sie schon heute tun können, um Ihren eigenen Hinterbliebenen ein Minusgeschäft zu ersparen, lesen Sie jetzt.

Was passiert, wenn ein Mensch Schulden hinterlässt?

Die schlechte Nachricht müssen wir Ihnen direkt zu Anfang offenbaren: Im Zweifel haften Angehörige für (fremdverursachte) Schulden im Nachlass – und zwar mit ihrem gesamten Privatvermögen. Die gute Nachricht wiederum:  Jeder kann einen Nachlass ausschlagen.

Das Problem: Dafür müssen Sie natürlich zunächst einmal wissen, dass Ihnen ein Nachlass zusteht. Leider werden Sie als Erbe oder Erbin jedoch nur bei einer sogenannten letztwilligen Verfügung aktiv vom Amt informiert. Und dafür muss eine von zwei Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Sie stehen in einem Testament.
  • Sie rücken irgendwo in der eigentlichen Erbfolge nach.

Handelt es sich im Falle Ihrer Erbschaft dagegen "lediglich" um die gesetzliche Erbfolge, bekommen Sie dagegen keine amtliche Benachrichtigung!

Das heißt: Haben beispielsweise Ihre Eltern hohe Schulden, sollten Sie darüber sprechen. So unangenehm es auch sein mag – es lohnt sich, das Thema in der Familie frühzeitig zu thematisieren. Denn verheimlichte Schuldenberge können sonst zur unangenehmen Überraschung werden. Dabei geht es übrigens nicht nur um offene Kredite oder überzogene Bankkonten. Denn etwaige andere "Minusgeschäfte" sind für Laien nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen.

So können auch sanierungsbedürftige Immobilien ein wichtiges Thema sein. Wenn schon seit einigen Jahr(zehnt)en nicht mehr renoviert wurde oder die vier Wände sogar gänzlich baufällig sind, sollten Sie sich besser zweimal überlegen, ob Sie die zu vererbende Immobilie wirklich haben wollen. Denn nicht selten drohen versteckte Kosten. Und: Sind Sie erstmal Eigentümer oder Eigentümerin, müssen Sie natürlich auch für allerlei denkbare Folgekosten aufkommen. Zu gewissen Maßnahmen wären Sie sogar rechtlich verpflichtet – Stichwort: Energieeffizienz.

Lesen Sie hier: Sanierungsmaßnahmen bei Haus oder Wohnung – das müssen Sie wissen!

Wie erfahre ich, ob es besser wäre, ein Erbe auszuschlagen?

Bevor Sie ein Erbe voll freudiger Erwartung  antreten, sollten Sie sich also immer einen genauen Überblick über die Vermögensverhältnisse und Schulden des Erblassers oder der Erblasserin verschaffen. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht dabei die Prüfung der Konten, das Einholen von Erkundigungen bei Ämtern sowie das Durchforsten sämtlicher Papiere des oder der Verstorbenen.

Anschließend sollten Sie eine Liste erstellen, auf der ein eventuelles Vermögen den angehäuften Schulden gegenübergestellt wird. Neben Faktoren wie

  • Bankguthaben
  • Wertpapieren

sollten sich auf der Vermögensseite auch

  • Wertgegenstände
  • Grundstücke
  • Immobilien

finden. Dem gegenüberstellen sollten Sie mindestens alle

  • Erbverbindlichkeiten wie Bestattungskosten
  • Kredite
  • Unterhaltsrückstände

und alle möglichen Pflichtteilsansprüche anderer erbberechtigter Personen. Auch zusätzlich anfallende Kosten für die Testamentseröffnung oder eine Nachlassverwaltung sollten Sie nicht aus dem Blick verlieren.

Ganz wichtig: Scheuen Sie sich nicht davor, Hilfe anzunehmen. Gestaltet sich der Nachlass extrem unübersichtlich, sollten Sie dringend einen Fachanwalt für Erbrecht hinzuziehen. Alternativ gäbe es da auch noch das Rundum-sorglos-Paket: Eine Nachlassverwaltung kann beim jeweils zuständigen Gericht beantragt werden. Halten Sie aber unbedingt die Kosten im Blick!

Gut zu wissen: So bekommen Sie Auskunft von Banken

Beim Zusammensammeln aller relevanten Unterlagen droht die ein oder andere Hürde. So wollen einige Banken für Auskünfte über die Kontoverhältnisse des oder der Verstorbenen beispielsweise den Erbschein sehen. Dieser sollte jedoch keineswegs beantragt werden, wenn die Option bestehen bleiben soll, das Erbe auszuschlagen. Stattdessen sollten Sie auf den Nachweis über Ihre Erbenstellungen sowie die Sterbeurkunde verweisen!

Erbe ausschlagen: Gesetzliche Regelungen, Fristen und Kosten

Sollte sich herausstellen, dass die Bilanz Ihrer persönlichen Gewinn- und Verlustrechnung in puncto Erbe eher mau aussieht, haben Sie zumindest die Möglichkeit, Schlimmeres zu verhindern. Dank Ihrer intensiven Vorarbeit bleibt Ihnen so womöglich der unverschuldete Gang in die Privatinsolvenz erspart. Dafür müssen Sie allerdings das defizitäre Erbe ausschlagen! Die Kosten für eine Ausschlagung beim Nachlassgericht betragen pauschal 30 Euro.

Und wie geht es dann weiter? Ganz einfach: Wenn Sie aufs Erbe verzichten, rückt der oder die Nächste in der Erbfolge in die Verantwortung. Nach etwaigen Tanten, Onkeln und Vettern geht das in der Kette noch so lange weiter, bis niemand mehr übrigbleibt. Erst dann wird der Staat in letzter Instanz Erbe des Schuldenberges.

Wir fassen zusammen: Wer das Erbe ausschlagen will, muss selbst aktiv werden und auch einige Vorschriften beachten.
 

1. Die richtige Form wahren: Ausschlagerklärung gegenüber dem Nachlassgericht!

In Sachen Form sollten Sie darauf achten, dass für die Ausschlagerklärung gegenüber dem Nachlassgericht ein einfacher Brief nicht ausreicht - auch nicht per Einschreiben! Stattdessen bedarf es einer öffentlich beglaubigten Form, also beispielsweise einer Erklärung mithilfe eines Notars. Eine weitere rechtskonforme Variante wäre, Ihr Anliegen persönlich beim Nachlassgericht zu erklären. Ein Rechtspfleger hält das Ganze dann schriftlich fest und lässt sich die Aufzeichnungen anschließend per Unterschrift bestätigen. Zuständig ist immer das jeweilige Amtsgericht, in dessen Zuständigkeitsbereich der oder die Verstorbene den letzten Wohnsitz hatte. Wichtig für den Besuch: Sterbeurkunde nicht vergessen!

2. Die richtige Begründung: Warum wollen Sie das Erbe ausschlagen?

Weniger verpflichtend, deshalb aber nicht weniger empfehlenswert: Geben Sie die Gründe für das Nicht-Antreten des Erbes an. Die naheliegende Begründung ist, dass die Hinterlassenschaft zu einem Großteil aus Schulden besteht. Um die treffende Formulierung zu finden, können Sie  wieder einen Notar oder Ihren Anwalt um Hilfe bitten.

3. Die Frist einhalten: Nur sechs Wochen Zeit, um keine Schulden zu erben!

Auch, wenn so schon kaum Zeit zum Trauern bleibt – hier kommt noch ein weiterer kritischer Zeitfaktor: Um sich gegen eine Erbschaft zu entscheiden, bleiben den Betroffenen nur sechs Wochen Zeit. Nach Verstreichen dieser Frist gilt das Erbe als angenommen. Stichtag ist dabei der Tag, an dem Sie vom Tod des Erblassers oder der Erblasserin erfahren haben. Bei nahen Verwandtschaftsgraden fällt dies meist mit dem Todestag zusammen. Nur in Ausnahmefällen wird diese Frist verlängert, zum Beispiel dann, wenn der Verstorbene im Ausland gelebt hat.

Sie merken: Ein Erbe abzulehnen kann nicht nur emotional, sondern auch formal herausfordernd sein. Für das Bestreiten des gesamten Prozesses brauchen Sie nicht zwingend einen Anwalt oder Notar, aber professionelle Unterstützung ist unter den Umständen doch empfehlenswert.

Gut zu wissen: Erben geht nur "ganz oder gar nicht"

Grundsätzlich ist es nur möglich, den gesamten Nachlass abzulehnen. Einzelne Bestandteile wie Schulden und nicht-getilgte Kredite zu verweigern, aber das Vermögen inklusive des geliebten Trabant 601 vor der eigenen Tür zu parken, ist leider nicht drin. Wäre ja auch zu schön gewesen.

Hinterbliebene vor Schulden schützen?

Um Ihre Lieben vor den beschriebenen Problemen zu schützen, verschließen Sie bitte nicht die Augen davor, dass auch Sie im Alter noch in die Verschuldung geraten könnten. Niedrigen Renten und möglichen Pflegekosten sei Dank. Wie könnten Sie die drohende Pflegelücke für sich selbst und Angehörige schließen? Das haben wir in einem weiteren Ratgeber rund um drohende Versorgungslücken (und wie man sie schließen kann) zusammengefasst.

Und noch ein Tipp: Wohlfahrtsverbände wie die Caritas, Diakonie, die Arbeiterwohlfahrt oder der Paritätischer Wohlfahrtverband können eine erste Anlaufstelle sein, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist – oder die Verschuldung nur noch eine Frage der Zeit ist. Hier bekommen Sie eine seriöse Schuldnerberatung. Für zusätzliche Unterstützung können Sie sich an die Bundesgemeinschaft für Senioren wenden. In jedem Fall müssen Sie jedoch selbstständig aktiv werden. Nur so kann Ihren Angehörigen ein belastendes Vermächtnis erspart bleiben.