Wer zahlt bei einem Wegeunfall? Die gesetzliche Unfallversicherung und ihre Grenzen

„Die meisten Unfälle passieren im Haushalt!“ – diesen Satz hat mit Sicherheit jeder schon einmal gehört. Was viele jedoch nicht wissen: Ein ebenso beachtlicher Teil der Unfälle geschieht nicht in Küche, Bad und Hausflur, sondern im Arbeitsumfeld. Oder auf dem Arbeitsweg. So wurden 2019 in Deutschland allein fast 900.000 Arbeitsunfälle von Betroffenen gemeldet.  

Wenig überraschend: Vor allem in den Wintermonaten ist nicht der Arbeitsplatz selbst, sondern vielmehr der Weg dahin besonders gefährlich. Schließlich warten dank Minustemperaturen, Frost und Schnee so einige Risiken zwischen heim und Arbeitsplatz – was leider für einige Verletzte sorgen kann.

Doch wer kommt grundsätzlich für den Schaden auf, wenn Ihnen als Arbeitnehmer die Gefahren auf dem Arbeitsweg zum Verhängnis werden? Generell gilt hier: Bei einem Unfall in der Arbeit oder auf dem Weg dorthin greift die gesetzliche Unfallversicherung. Das gilt jedoch nur dann (nahezu) unumstößlich, wenn Sie sich unmittelbar von zu Hause in die Arbeit begeben.

So weit, so gut. Einziges Problem: Viele Arbeitnehmer gehen nicht „schnurstracks“ in die Arbeit, sondern nutzen den Weg für Einkäufe oder andere Erledigungen. Ebenso können Staus oder andere Hindernisse den Arbeitsweg blockieren, sodass sich ein Umweg manchmal nicht vermeiden lässt. 

Stellt sich die Frage: Setzt man sich damit der Gefahr aus, im Falle eines Unfalls unversichert zu sein – oder zahlt die gesetzliche Unfallversicherung auch bei Umwegen auf dem Arbeitsweg?

Doch damit (leider) noch nicht genug! Denn nicht nur der Geltungsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung bereitet so manchem Arbeitnehmer Kopfzerbrechen. Auch die Abgrenzung zu anderen Versicherungen, insbesondere der Berufsunfähigkeits- und Pflegeversicherung, ist vielen nicht klar. Wo liegt also der genaue Unterschied?

Sie sehen: Über die gesetzliche Unfallversicherung herrscht alles andere als Klarheit. Damit Sie aber selbst im Winterchaos den Durchblick behalten, beantworten wir nun alle offenen Fragen.

Unfallversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung und Pflegeversicherung – wer zahlt wann?

Zugegeben, im Versicherungsdschungel fällt es manchmal schwer, den Überblick zu behalten. Insbesondere dann, wenn mehrere Versicherungen ähnliche Risiken absichern. Das ist auch bei der Unfall-, Berufsunfähigkeits- und Pflegeversicherung der Fall.

Betrachtet man die verschiedenen Policen jedoch genauer, fallen deutliche Unterschiede auf, die jeder Versicherungsnehmer kennen sollte. Bevor wir in den Geltungsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung eintauchen, möchten wir deshalb die Unterschiede zu anderen Versicherungen in Erinnerung rufen:

Gesetzliche Unfallversicherung

  • Versicherungsgegenstand: Greift bei Unfällen im Arbeitsumfeld, also während der Arbeit und auch auf dem Arbeitsweg ("Wegeunfall").
  • Zahlungsvoraussetzung: Die gesetzliche Unfallversicherung zahlt, sobald ein Unfall in der Arbeit oder auf dem Weg dahin passiert. Hierbei ist die Übernahme verschiedener Ausgaben, wie etwa die Zahlung der Behandlungskosten, eingeschlossen. Bei Unfallfolgen mit einer Dauer von mindestens 26 Wochen und einer Erwerbsminderung von mindestens 20 % steht Ihnen zudem eine monatliche Rente zu.
  • Höhe und Art der Versicherungsleistungen: Je nach Art und Schwere der Verletzung variieren auch die Auszahlungssummen. Die Höhe einer potenziellen Rente hängt beispielsweise von Ihrem bisherigen Einkommen und dem Grad der Beeinträchtigung ab.

Private Unfallversicherung

  • Versicherungsgegenstand: Sichert Unfälle ab, die nicht im Zusammenhang mit beruflichen Tätigkeiten stehen. Sie greift also vor allem bei (im Vertrag festgelegten) Freizeitunfällen.
  • Zahlungsvoraussetzung: Die private Unfallversicherung zahlt, wenn der Unfall eine (zumindest) längerfristige Beeinträchtigung zur Folge hat.
  • Höhe und Art der Versicherungsleistungen: Bei einer dauerhaften Beeinträchtigung infolge eines Unfalls zahlt die private Unfallversicherung einmalig einen zuvor vereinbarten Betrag. Zudem können häufig auch weitere Leistungen wie Tagegelder oder so genannte Assistance-Dienste hinzugebucht werden.

Berufsunfähigkeitsversicherung

  • Versicherungsgegenstand: Greift bei Krankheiten, Unfällen oder Kräfteverfall, durch welche der Versicherungsnehmer seine berufliche Tätigkeit dauerhaft nicht mehr ausüben (Arbeitsunfähigkeit) kann.
  • Zahlungsvoraussetzung: Voraussetzung für die Zahlungen der Berufsunfähigkeitsversicherung ist im Normalfall eine Berufsunfähigkeit von mindestens 50 %.
  • Höhe und Art der Versicherungsleistungen: Die Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt eine monatliche Rente. Die Rentenhöhe vereinbaren Sie bei Versicherungsabschluss mit Ihrem Versicherer.

Pflegeversicherung – gesetzlich und/oder privat

  • Versicherungsgegenstand: Die gesetzliche Pflegeversicherung sichert den Versicherungsnehmer ab, wenn dieser infolge von Krankheiten oder Unfällen pflegebedürftig wird, also Hilfe im täglichen Leben benötigt. Die Zahlungen der gesetzlichen Pflegeversicherungen reichen in der Regel jedoch nicht aus, um Ihre gesamten Kosten zu decken. Die private Pflegeversicherung ist dafür da, diese Lücke zwischen den Zahlungen der gesetzlichen Pflegeversicherung und Ihrem gesamten Bedarf zu füllen.
  • Zahlungsvoraussetzung: Die Pflegeversicherung zahlt erst, wenn davon auszugehen ist, dass Ihr Pflegebedarf für mindestens sechs Monate anhält.
  • Höhe und Art der Versicherungsleistungen: Die Höhe der Zahlungen der gesetzlichen Pflegeversicherung hängen von Ihrem festgestellten Pflegegrad ab. Mit dem so festgelegten Betrag zahlt die Versicherung dann einen Teil Ihrer ambulanten oder stationären Pflegekosten.  Die Art und Höhe von Zahlungen der privaten Pflegeversicherung ist dagegen abhängig von Ihrem abgeschlossenen Tarif. So können Sie beispielsweise ein Pflegetagegeld oder eine monatliche Rente vereinbaren. Wie hoch diese tatsächlich im Bedarfsfall ausfällt, hängt dann meist wieder vom konkreten Pflegegrad ab.

Im Vergleich zu anderen Versicherungen zahlt die gesetzliche Unfallversicherung also nur, wenn sich ein Unfall während der Arbeit oder auf dem Weg dorthin zugetragen hat. Dann übernimmt sie allerdings nicht nur anstehende Kosten, sondern zahlt in besonders schwerwiegenden Fällen auch eine monatliche Rente aus. 

Werden Sie dagegen aufgrund körperlicher oder psychischer Krankheiten berufsunfähig, sind andere Versicherungen zuständig. In diesen Fällen sichern Sie die private Berufsunfähigkeits- und Pflegeversicherung optimal ab.

Wegeunfälle: Wann zahlt die gesetzliche Unfallversicherung – und wann nicht?

Unfälle auf dem Arbeitsweg fallen also auch in den Zuständigkeitsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung. Ob Arbeitnehmer jedoch auch bei Umwegen auf dem Arbeitsweg – etwa bei einem Einkauf oder Umfahren eines Staus – damit ausreichend abgesichert sind, ist leider nicht immer ganz eindeutig.

Generell gilt jedoch: Umwege unterbrechen den unmittelbaren Arbeitsweg und fallen damit in der Regel nicht in den Geltungsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung. Das bedeutet, dass folgende Beispiele den Schutz der Versicherung unterbrechen (können):

  • Schnell noch zum Wocheneinkauf auf dem Heimweg von der Arbeit.
  • Der kurze Tank-Stopp im Nachbarort, weil das Benzin dort einen Cent billiger ist.
  • Der Umweg zur Arztpraxis, um Ihren Partner abzusetzen.

Auf allen Umwegen, die nicht im Zusammenhang mit Ihrer Arbeit stehen, sind Sie also (wahrscheinlich eher) nicht durch die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert. Der Versicherungsschutz greift meist nämlich erst wieder, sobald Sie Ihren unmittelbaren Arbeitsweg fortsetzen.

Doch wie immer bestätigen auch hier diverse Ausnahmen die einfache Regel. Das bedeutet: Hängt der Grund Ihres Umwegs beispielsweise (irgendwie) mit Ihrer Arbeit zusammen, kann auch dieser in den Absicherungsbereich der Unfallversicherung fallen. 

Das ist etwa bei folgenden Beispielen der Fall:

  • Sie bringen Ihre Kinder auf dem Weg zur Arbeit in die Kindertagesstätte. Da Ihre Kinder nur betreut werden, damit Sie Ihrem Arbeitsalltag nachgehen können, ist auch dieser Umweg für gewöhnlich durch die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert. Schließlich steht das Abliefern der Kinder im direkten Zusammenhang mit Ihrer beruflichen Tätigkeit.
  • Auf Ihrem unmittelbaren Weg zur Arbeit bahnt sich ein Stau an. Um pünktlich im Büro zu erscheinen, nehmen Sie einen staufreien Umweg. Da Sie den Stau umfahren, um in die Arbeit zu gelangen, greift hierbei (sehr wahrscheinlich) ebenfalls die gesetzliche Unfallversicherung.

Sonderfall für den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung: „Wegeunfall“ im Treppenhaus

Jetzt wird es ein wenig kurios. Denn wenn Arbeitnehmer auf dem Arbeitsweg verunfallen, geschieht das meist auf der Straße, dem Geh- oder Fahrradweg. Und dann ist der Fall (so gut wie) klar: Es handelt sich um einen Wegeunfall, der in den Versicherungsschutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung fällt. Der Grund: Als Start- und Endpunkt des Arbeitswegs sind die Außentüre des häuslichen Bereichs und Ihre Arbeitsstätte festgelegt. Alle Unfälle auf direktem Weg dazwischen sind somit relativ „sicher“ versichert. Für Bewohner von Mehrfamilienhäusern ergibt sich damit aber eine Art „blinder Versicherungspunkt“. Denn der Gang durch das heimische Treppenhaus fällt damit ausdrücklich nicht in den gesetzlich versicherten Bereich

Stellt sich also die Frage: Zahlt die Versicherung auch hier im Falle eines Unfalls – obwohl die Außentüre noch nicht erreicht ist? Die Antwort ist (leider) eindeutig: Die Sicherheit zwischen Wohnungs- und Haustür kann tatsächlich nur eine private Unfallversicherung geben.